Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen 1 O 353/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 24.03.2010; Aktenzeichen XII ZB 193/07)

 

Tenor

Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt.

Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Gegenstandswert: 16.950 EUR (§ 42 Abs. 1, 5 GKG).

 

Gründe

I. Die Parteien waren Eheleute; ihre Ehe wurde aufgrund eines von der Antragstellerin eingeleiteten Verfahrens durch Urteil des AG Aachen am 23.7.2003 geschieden. Der Antragsgegner seinerseits beantragte unter dem 8.7.2003 die Scheidung vor dem Familiengericht zu X/Türkei. Durch Urteil des Familiengerichts zu X/Türkei vom 27.1.2004 wurde die Scheidungsklage abgewiesen, der Antragsgegner allerdings verurteilt, an die Antragstellerin "eine vorsorgliche Unterhaltsleistung i.H.v. 500.000.000 TL mit Wirkung vom Klagedatum" zu zahlen. Das Urteil ist unter dem 5.10.2005 dahin berichtigt worden, dass es sich bei den 500.000.000 TL (500 YTL) um eine monatliche Unterhaltsklage handelt. Eine Klage der Antragsgegnerin auf Zahlung nachehelichen Unterhalts wurde am 15.9.2004 vom AG - Familiengericht - in Aachen mit der Begründung abgewiesen, es bestehe anderweitige Rechtshängigkeit, weil die Antragsgegnerin vor Erhebung der Klage in Deutschland vor dem türkischen Gericht einen Unterhaltsantrag gestellt habe, dem auch stattgegeben worden sei.

Die Antragstellerin hat die Vollstreckbarerklärung des türkischen Urteils begehrt. Dem Antrag hat die 1. Zivilkammer des LG Arnsberg durch den Vorsitzenden als Einzelrichter durch den angefochtenen Beschluss stattgegeben.

Mit der Beschwerde macht der Antragsgegner geltend, trotz bereits rechtskräftiger Scheidung regele das türkische Urteil nur den Trennungsunterhalt. Dem Urteil sei nicht zu entnehmen, für welchen Zeitraum (insb. ab wann) der Unterhalt zu zahlen sei. Er habe Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen lassen, so dass nicht erklärlich sei, warum das Urteil einen Rechtskraftvermerk enthalte. Die in Deutschland erhobene Unterhaltsklage, die den streitigen Zeitraum umfasse, sei abgewiesen worden. Schließlich sei das angerufene Gericht örtlich unzuständig gewesen; er lebe bereits längere Zeit in E.

Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss.

II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist gem. § 11 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes (AVAG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist aber unbegründet.

1. Die Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (HUVÜ), dem Deutschland und die Türkei beigetreten sind, liegen vor. Die formellen Voraussetzungen der Art. 4 und 17 HUVÜ sind erfüllt. Das türkische Gericht war gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 7 Nr. 2 HUVÜ international zuständig. Das Urteil ist mit einem Rechtskraftvermerk versehen (Art. 17 Nr. 2 HUVÜ). Allein die Behauptung des Antragsgegners, Rechtsmittel eingelegt zu haben, kann diesen nicht entkräften.

2. Anerkennungsversagungsgründe nach dem HUVÜ liegen nicht vor.

Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public (Art. 5 Nr. 1 HUVÜ) ist nicht gegeben. Hieran könnte zwar wegen der gerügten fehlenden Bestimmtheit des türkischen Urteils gedacht werden. Das Urteil ist aber hinreichend bestimmt. In Verbindung mit dem Berichtigungsvermerk wird deutlich, dass es sich um monatlich zu zahlenden Unterhalt handelt. Auch der Beginn der Unterhaltsverpflichtung steht fest. Dies ist das im Urteil genannte Datum des Klageantrags, nämlich der 8.7.2003.

Ein Versagungsgrund nach Art. 5 Nr. 3 HUVÜ liegt nicht vor. Das Unterhaltsverfahren in der Türkei, ist vor dem Verfahren in Deutschland anhängig gemacht worden.

Unvereinbarkeit mit einer deutschen Entscheidung (Art. 5 Nr. 4 HUVÜ) ist nicht gegeben, weil das Familiengericht Aachen die Unterhaltsklage der Antragsgegnerin gerade mit der Begründung abgewiesen hat, dass anderweitige Rechtshängigkeit und ein Unterhaltsurteil eines türkischen Gerichts vorliege. Das deutsche Scheidungsurteil ist insoweit nicht maßgeblich, weil es nicht "denselben Gegenstand" wie das türkische Unterhaltsurteil betrifft.

Ob das Unterhaltsurteil, das für vollstreckbar erklärt werden soll, inhaltlich richtig ist, insb. unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Scheidung bereits rechtskräftig war, darf wegen Art. 12 HUVÜ nicht geprüft werden.

3. Dass die 1. Zivilkammer durch den Einzelrichter entschieden hat statt des Vorsitzenden einer Zivilkammer (§ 3 Abs. 3 AVAG), führt genauso wenig zur Begründetheit der Beschwerde wie die Tatsache, dass das LG Arnsberg örtlich unzuständig war. Dies ergibt sich aus dem im Beschwerdeverfahren entsprechend anwendbaren § 513 Abs. 2 ZPO, der sowohl Mängel der funktionellen wie auch der örtlichen Unzuständigkeit betrifft und diese für unerheblich erklärt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2340409

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