Verfahrensgang

AG Hagen (Entscheidung vom 04.09.2000; Aktenzeichen 70 OWi 873 Js 608/00 (427/00))

GStA Hamm (Aktenzeichen 3 AR 2319/2000)

 

Tenor

Dem Betroffenen wird von Amts wegen auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Ordnungsgeldbeschlüsse des Amtsgerichts Hagen vom 4. September 2000 gewährt.

Die Ordnungsgeldbeschlüsse des Amtsgerichts Hagen vom 4. September 2000 werden auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Beschwerdeverfahren trägt, aufgehoben.

 

Gründe

I.

Gegen den Betroffenen ist beim Amtsgericht Hagen ein Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen das Eichgesetz anhängig. In diesem fand am 4. September 2000 die Hauptverhandlung statt. In dieser erließ das Amtsgericht gegen den Betroffenen zwei Ordnungsgeldbeschlüsse über je 200 DM, ersatzweise 2 Tage Ordnungshaft. Der erste Beschluss erging nach dem Protokoll der Hauptverhandlung nachdem der Betroffene erklärte hatte: "Ich habe hier auf dem Bauch zu liegen und Ja und Amen zu sagen". Der zweite Ordnungsgeldbeschluss erging nachdem der Betroffene nach Erlass des ersten Beschlusses erklärt hatte: "Es ist ein schöner Tag für sie heute."

Mit seiner am 13. September 2000 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde wendet sich der Betroffene gegen diese Ordnungsgeldbeschlüsse. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, dem Betroffenen von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Ordnungsgeldbeschlüsse vom 4. September 2000 zu gewähren und die Beschlüsse aufzuheben.

II.

1.

Vorab: Der Senat hatte in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden. Zwar handelt es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Ordnungswidrigkeitenverfahren, in dem zur Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde des Betroffenen nach § 80 a Abs. 2 Nr. 1 OWiG im Zweifel wegen der Höhe der verhängten Geldbuße der Einzelrichter zuständig wäre. Dies führt indes nicht dazu, dass auch über die Beschwerde gegen die in der Hauptverhandlung verhängten Ordnungsgeldbeschlüsse der Einzelrichter zu entscheiden hat. Die Grundsätze der Entscheidung des Senats vom 3. November 1999 in 2 Ss OWi 1070/99 (ZAP EN-Nr. 31/2000 = NJW 2000, 451 = DAR 2000, 83 = MDR 2000, 226 = VRS 98, 221) greifen nämlich nicht ein. Bei der vorliegend zu treffenden Entscheidung über den Bestand der Ordnungsgeldbeschlüsse handelt es sich nämlich nicht um eine Annexentscheidung im Sinn des vorstehend angeführten Beschlusses des Senats. Gemeint waren damit nur die mit der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde zusammenhängenden Beschlüsse und/oder Entscheidungen. Mit der Rechtsbeschwerde hängt aber die Entscheidung über etwa in der Hauptverhandlung erlassene Ordnungsgeldbeschlüsse nicht zusammen. Über diese hat daher der Senat in der durch § 122 Abs. 1 GVG vorgesehenen Besetzung zu entscheiden. Ob und ggf. wie das Einzelrichterprinzip über § 80 a OWiG hinaus auch auf andere, mit der Rechtsbeschwerde- oder dem Bußgeldverfahren zusammenhängende Entscheidungen des Senats auszudehnen ist, ist eine Entscheidung, die nicht die Gerichte, sondern der Gesetzgeber zu treffen hat.

2.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihre Anträge wie folgt begründet:

"Die gem. § 181 GVG, § 311 StPO statthafte Beschwerde ist verspätet. Die Frist hat mit der Verkündung in der Hauptverhandlung begonnen.

Dem Beschwerdeführer ist jedoch von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls die gem. § 35 a StPO erforderliche Rechtsmittelbelehrung nicht erteilt worden ist. Diese ist ausweislich der Verfügung des Amtsrichters (Bl. 23 d. Bußgeldakte) auch nicht bei der Zustellung der Ordnungsgeldbeschlüsse erfolgt. Die Versäumung der Rechtsmittelfrist ist daher gem. § 44 Satz 2 StPO als unverschuldet anzusehen.

Die Beschwerde ist auch begründet. Die angefochtenen Beschlüsse können keinen Bestand haben, da sie rechtsfehlerhaft ergangen sind. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls ist weder dem Beschwerdeführer noch seinem Verteidiger vor Erlass der Beschlüsse rechtliches Gehör gewährt worden. Dieses muß jedoch grundsätzlich vor Verhängung von Ordnungsmitteln gewährt werden (vgl. Löw/Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 178 GVG Rn. 34 m.w.N.).

Nur in seltenen Ausnahmefällen kann das Gericht von der Gewährung rechtlichen Gehörs absehen, nämlich dann, wenn der Ungebührwille bei gröbsten unflätigen Beleidigungen außer Zweifel steht (vgl. OLG Hamm, JMBl. NW 77, Seite 131). Diese strengen Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Die protokollierten Äußerungen des Beschwerdeführers enthalten, auch wenn sie als Ungebühr vor Gericht zu werten sind, keine gröbste unflätige Beleidigung derart, dass eine Anhörung unterbleiben konnte.

Die angefochtenen Beschlüsse sind danach aufzuheben mit der Folge, dass die Verhängung der Ordnungsmittel gegen den Beschwerdeführer endgültig entfällt. Eine Zurückweisung der Sache zur ern...

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