Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast für Einkommens- und Vermögensverhältnisse des anderen Elternteils

 

Leitsatz (amtlich)

Zwar trägt der nicht betreuende Elternteil, der sich bei Inanspruchnahme durch das Kind auf eine zusätzliche Barunterhaltspflicht des betreuenden Elternteils beruft, die Beweislast für die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des anderen Elternteils. Er kann aber diese Einkünfte schätzen und ist nicht darauf zu verweisen, den anderen Elternteil in einem gesonderten Verfahren auf Auskunft in Anspruch zu nehmen.

 

Normenkette

BGB § 1602 Abs. 2 S. 3, § 1603

 

Verfahrensgang

AG Hamm (Beschluss vom 30.09.2005; Aktenzeichen 32 F 399/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten vom 7.11.2005 wird der Beschluss des AG Hamm vom 30.9.2005 abgeändert.

Dem Beklagten wird in vollem Umfang Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Klage bewilligt.

Ihm wird Rechtsanwalt R. aus Bielefeld zu den Bedingungen eines beim AG Hamm zugelassenen Anwalts beigeordnet.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist die am 7.12.1991 geborene Tochter des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe mit ihrer Mutter, bei der sie lebt und der auch das Sorgerecht zusteht. Der Beklagte, der ein Mathematikstudium abgebrochen und keinen Beruf erlernt hat, ist seit dem 11.1.2002 erneut verheiratet und hat eine weitere am 28.8.2004 geborene Tochter J. Seine zweite Ehefrau betreibt einen Feinkostladen mit Partyservice. Er hat seit 2001 als Beikoch in ihrem Betrieb gearbeitet und 2003 ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 869,69 EUR erzielt. Seit Januar 2004 ist er stiller Gesellschafter und mit 50 % am Gewinn beteiligt. Im Jahre 2004 hat sein Gewinnanteil 12.000 EUR betragen. Für die Kranken- und Pflegeversicherung hat er monatlich 264,44 EUR bezahlt sowie weitere 39,24 EUR + 10,95 EUR + 12 EUR = 122,19 EUR für eine Berufsunfähigkeitsversicherung, eine Unfall- und eine Rentenversicherung.

Da der Beklagte für die Klägerin freiwillig nur Unterhalt i.H.v. monatlich 233 EUR gezahlt hat, hat sie im April 2004 die Erhöhung auf den Regelbetrag von monatlich 284 EUR verlangt.

Sie beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie für die Zeit von April bis September 2004 einen Rückstand von insgesamt 371 EUR und ab Oktober 2004 monatlich laufend 284 EUR zu zahlen.

Der Beklagte will sich gegen die Klage verteidigen und hat dafür Prozesskostenhilfe beantragt. Er hat geltend gemacht, angesichts seiner weiteren Unterhaltspflichten und seiner geringen Einkünfte sei er nicht leistungsfähig. Zumindest müsse die Mutter der Klägerin neben der Betreuung auch den Barunterhalt aufbringen, weil sie Inhaberin einer Firma sei. Ihr Einkommen daraus sei auf monatlich mindestens 6.000 EUR netto zu schätzen, weil sie zusammen mit ihrem Lebenspartner allein 4 Pkws unterhalte.

Das AG hat dem Beklagten ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit zugerechnet und auf dieser Basis das für Unterhaltszwecke verfügbare Einkommen zwischen der Klägerin, der zweiten Ehefrau und der Tochter J. aufgeteilt. Es hat errechnet, dass er für die Zeit bis Juni 2005 für die Klägerin monatlich 190,51 EUR und ab Juli 2005 monatlich noch 166,24 EUR aufzubringen habe. Eine Verpflichtung der Mutter der Klägerin, sich gem. § 1603 Abs. 2 S. 3 am Barunterhalt zu beteiligen, hat es verneint, weil insoweit spezifizierter Vortrag zur Höhe ihrer Einkünfte fehle.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beklagte mit der Beschwerde, mit der er weiterhin Prozesskostenhilfe für eine vollständige Verteidigung gegen die Klage erstrebt. Er macht zum einen geltend, dass das ihm zugerechnete Einkommen zu hoch sei, zum anderen, dass die Klägerin das vorgetragene Einkommen ihrer Mutter nicht substantiiert bestritten habe. Deshalb seien sehr wohl die Voraussetzungen einer nicht gesteigerten Unterhaltspflicht mit Beteiligungspflicht des anderen Elternteils gem. § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB anzunehmen.

II. Die Beschwerde ist zulässig, insb. fristgerecht eingelegt und hat in vollem Umfang Erfolg. Zwar zieht der Beklagte nicht in Zweifel, dass er der Klägerin grundsätzlich unterhaltspflichtig ist und sich ein fiktives Einkommen zurechnen lassen muss, weil seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach Abzug der Vorsorgeaufwendungen unter dem notwendigen Selbstbehalt liegen, dennoch bedarf die Sache weiterer Aufklärung hinsichtlich der Frage, ob sich die Mutter der Klägerin nicht auf Grund erheblich höherer Einkünfte mit einem weit überwiegenden Anteil am Barunterhalt der Klägerin zu beteiligen hat. Da die Größenordnung des vom Beklagten zu tragenden Anteils nicht absehbar ist, ist ihm Prozesskostenhilfe für den Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage zu bewilligen.

1. Gegen die Bemessung der fiktiven Einkünfte des Beklagten durch das AG ist allerdings entgegen der Auffassung der Beschwerde nichts zu erinnern. Auch wenn der Beklagte keinen Beruf erlernt hat, so verfügt er doch mit der Hochschulreife über einen qualifizierten Schulabschluss und ist als Beikoch in der Firma seiner Ehefrau zuletzt mit einem Stundenlohn von 10,23 EUR ...

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