Gründe

Der in einem Wirtschaftsstrafverfahren zu einer Freiheitsstrafe verurteilte Betroffene begehrt im Zusammenhang mit von ihm anhängig gemachten Zivilprozessen die Feststellung, daß die Gewährung von Akteneinsicht an den Verletzten bzw. dessen Rechtsanwalt durch die StA rechtswidrig gewesen sei. Das OLG Hamm führt zunächst aus, das Begehren des Betroff. sei als Feststellungsantrag nach § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG zulässig. Der geltend gemachte Anspruch sei jedoch nicht begründet.

›... Die StA war nämlich berechtigt, den Verfahrensbevollmächtigten der Prozeßgegner des Betroffenen Akteneinsicht zu gewähren oder diesen auch Ablichtungen einzelner Seiten der Akten zu überlassen, da dieses nur eine Modifizierung der Art der Akteneinsichtsgewährung ist. Diese Befugnis der StA bezieht sich auch auf bei den Akten befindliche Geschäftsunterlagen des Betroffenen, da sie Teil der Verfahrensakten geworden sind.

Die Befugnis der StA ergibt sich aus Nr. 185 Abs. 4 der Richtlinien für das Straf- und das Bußgeldverfahren (RiStBV) in der ab 1. 7. 1980 bundeseinheitlich geltenden Fassung. ... Rechtliche Bedenken gegen die [Vereinbarkeit] dieser Verwaltungsvorschrift mit gesetzl. Bestimmungen bestehen nicht. Daß es vielmehr dem Willen des Gesetzgebers entspricht, daß [demjenigen], der geltend macht, durch eine Straftat verletzt worden zu sein, Einsicht in die Strafakten zu gewähren ist, folgt u. a. daraus, daß das Gesetz in einigen verallgemeinerungsfähigen Sonderfällen die Akteneinsicht vorsieht. [Folgt Hinw. auf §§ 172, 395, 397 , 385Abs. 1]. Es besteht kein vernünftiger Grund, in den übrigen Fällen dem nach seiner schlüssigen Darlegung durch eine Straftat Verletzten bei berechtigtem Interesse den Einblick in die Verfahrensakten zu versagen.

Ein ›berechtigtes Interesse‹ an der Akteneinsicht i. S. von Nr. 185 Abs. 4 RiStBV haben die Prozeßgegner des Betroffenen, da die Kenntnis vom Inhalt der Verfahrensakten wegen des engen Zusammenhangs zwischen dem Gegenstand des damaligen Verfahrens und den jetzt erhobenen Ansprüchen für sie zur Prüfung der Berechtigung der gegen sie erhobenen bürgerlichrechtlichen Ansprüche von Bedeutung ist.‹

Das Einsichtsrecht der Prozeßgegner des Betroff. erstrecke sich auf den gesamten Akteninhalt. Denn der Akteninhalt befasse sich insgesamt mit dem Geschäftsgebaren des Betroff., das nur durch eine Gesamtbetrachtung verständlich wird und umfassend gewürdigt werden kann.

Der Betroff. wende sich auch zu Unrecht gegen die Gewährung von Einsicht in das Urteil der Strafkammer mit der Begründung, dieses sei aufgehoben worden.

›Die Aufhebung eines Urteils hindert nicht, es zum Gegenstand der Akteneinsicht nach Nr. 185 Abs. 4 RiStBV zu machen. Die Akteneinsicht ist zur Information zu gewähren unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens. Denn die Akteneinsicht dient nicht der Benachteiligung des (früheren) Angekl., sondern der Findung der Wahrheit. Das kann nur im Interesse aller wahrheitsliebenden Prozeßbeteiligten sein. ›Sonstige Bedenken‹ i. S. von Nr. 185 Abs. 4 RiStBV, die ausnahmsweise der Gewährung von Akteneinsicht entgegenstehen könnten, sind hier nicht ersichtlich. ...‹

S. a. Prof. Dr. Heinz Schöch, Göttingen: ›Die Rechtsstellung des Verletzten im Strafverfahren‹ (NStZ 1984 Heft 9 S. 385), der im Rahmen der Reformdiskussion um die Stellung des Verletzten ein Recht des Verletzten auf Akteneinsicht für unverzichtbar hält, dieses Recht aber analog § 147 StPO nur einem Rechtsanwalt gewähren will.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993950

NJW 1985, 2040

DRsp IV(449)212c

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