Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Verfahrensrüge wegen gesetzeswidriger Verwerfung der Berufung des in der Berufungshauptverhandlung abwesenden Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO. schriftliche Verteidigervollmacht nach § 329 Abs. 1 StPO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verfahrensrüge wegen einer gesetzeswidrigen Verwerfung der Berufung des in der Berufungshauptverhandlung abwesenden Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO muss als Verfahrensrüge den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 StPO entsprechen.

2. Macht der Angeklagte mit der Verfahrensrüge geltend, das Landgericht habe seine Berufung trotz Fernbleibens im Berufungshauptverhandlungstermin nicht verwerfen dürfen, da seine Anwesenheit nicht erforderlich gewesen und er durch einen Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht vertreten worden sei (§ 329 Abs. 2 S. 1 StPO), gehört zu einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge jedenfalls der Vortrag, dass sich der Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung auf eine schriftliche Vollmacht des abwesenden Angeklagten berufen und eine solche dem Gericht gegenüber vorgelegt hat bzw. sich diese bei den Akten befindet.

 

Normenkette

StPO § 329 Abs. 1-2, § 344

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Aktenzeichen 47 Ns 90/18)

 

Tenor

  1. Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
  2. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
 

Gründe

Zusatz:

Die gemäß § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung weist Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf.

1.

Die von dem Angeklagten erhobene Verfahrensrüge wegen einer gesetzeswidrigen Verwerfung der Berufung des in der Berufungshauptverhandlung abwesenden Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO muss als Verfahrensrüge den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 StPO entsprechen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2006, 2 Ss 509/05 - zitiert nach beckonline; KG, Beschluss vom 16. September 2015, NStZ 2016, 234 - zitiert nach beckonline; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. Juni 2016, 1 Ss 42/16 - zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 06. September 2016, 4 RVs 96/16; OLG Oldenburg, Beschluss vom 20. Dezember 2016, 1 Ss 178/16 - zitiert nach juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, § 329 Rn. 48, m.w.N.). Denn bei dem die Berufung des Angeklagten nach dieser Vorschrift verwerfenden Urteil handelt es sich um ein ausschließlich Verfahrensfragen betreffendes Prozessurteil, das keine Feststellungen zur Schuld- und Straffrage enthält (vgl. KG, a.a.O.). Daher muss die Revision die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen ohne Bezugnahmen und Verweisungen so umfassend und vollständig mitteilen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Angaben prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft (vgl. KG, a.a.O.).

Diesen Anforderungen genügt die Verfahrensrüge hier nicht.

a)

Mit seiner Verfahrensrüge macht der Angeklagte geltend, das Landgericht habe seine Berufung trotz seines Fernbleibens im Berufungshauptverhandlungstermin nicht verwerfen dürfen, da seine Anwesenheit nicht erforderlich gewesen und er durch einen Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht vertreten worden sei, vgl. § 329 Abs. 2 S. 1 StPO. Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht in zulässiger Weise durch seinen Verteidiger vertreten worden sei. Zur Begründung führt er folgende der Revisionsbegründung als Anlage beigefügte, in dem Schriftsatz auszugsweise wiedergegebene Verteidigervollmacht an:

"[...]

6. Vertretung und Verteidigung in Strafsachen und Bußgeldsachen (§§ 302, 374 StPO) einschließlich der Vorverfahren sowie (für den Fall der Abwesenheit) Vertretung nach § 411 II StPO und mit ausdrücklicher Ermächtigung auch nach §§ 233 I, 234 StPO. [...]"

Zu einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge gehört hier jedenfalls der Vortrag, dass sich der Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung auf eine schriftliche Vollmacht des abwesenden Angeklagten berufen und eine solche dem Gericht gegenüber vorgelegt hat bzw. sich diese bei den Akten befindet (vgl. KG, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2006, a.a.O.). Daran fehlt es hier. Ausweislich der Sitzungsniederschrift, der insoweit negative Beweiskraft zukommt (vgl. § 274 StPO), hat der Verteidiger eine solche schriftliche Vollmacht des Angeklagten im Termin nicht nachgewiesen. Soweit sich in den Akten zwei identische Ablichtungen von formularmäßig formulierten, unterzeichneten und auf den 29. März 2018 datierten Verteidigervollmachten befinden (vgl. Blatt 76 und 101 der Akten), weist der Strafkammervorsitzende in seiner dienstlichen Äußerung vom 13. November 2018 (vgl. Blatt 236 f der Akten) zun...

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