Leitsatz (amtlich)

Zum Vorsatz hinsichtlich der Vortat bei der Steuerhehlerei

 

Verfahrensgang

AG Bochum (Entscheidung vom 04.11.2002)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bochum zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 1 AO zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 25 EURO verurteilt.

Das Amtsgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

"Am 18. 10. 2001 begab sich der Angeklagte, der nach Aussage des Zeugen H. Nichtraucher ist, gemeinsam mit dem Zeugen H. in die Gaststätte J. in Herne. Dort befanden sich auch die Zeugen Z. , der hinter dem Tresen stand, sowie der Zeuge K. . Während dieses Gaststättenbesuches begab sich eine unbekannte Person in die Gaststätte und verbrachte mehrere Kartons, die mit unverzollten Zigaretten gefüllt waren, in den Hinterraum der Gaststätte. Vor dem Verlassen der Gaststätte begab sich der Unbekannte zu dem Angeklagten und übergab diesem eine Tüte mit 7 Stangen und 50 Schachteln unverzollter und unversteuerter Zigaretten und äußerte gegenüber dem Angeklagten, dass er diesem die Zigaretten schenkt. Der Angeklagte hat dem nicht widersprochen. Daraufhin verließ der Unbekannte die Gaststätte. Kurz darauf begaben sich die Polizeibeamten S. , B. und D. in die Gaststätte. Dort äußerte der Angeklagte gegenüber den Polizeibeamten, dass er noch mehr Zigaretten erhalten werde.

Die verkürzten Steuern hinsichtlich der unverzollten und unversteuerten Zigaretten betrugen 302, 20 Euro. "

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die materielle Rüge erhoben wird. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg.

1.

Die materielle Rüge ist begründet. Die tatrichterlichen Feststellungen sind lückenhaft (§ 267 StPO).

Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen bei einer Verurteilung des Angeklagten in den Urteilsgründen die vom Tatrichter für erwiesen erachteten Tatsachen angegeben werden, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Das gilt sowohl für die sogenannten äußeren Tatsachen als auch für den inneren, subjektiven Tatbestand. Ist der Angeklagte - wie vorliegend bei der Verurteilung nach § 374 AO - wegen einer vorsätzlichen Tat verurteilt, bedeutet dies, dass sich den getroffenen Feststellungen das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung entnehmen lassen muss.

Dem werden die vom Amtsgericht bislang zum Vorsatz des Angeklagten getroffenen tatsächlichen Feststellungen, worauf die Revision zutreffend hinweist, nicht gerecht.

a)

Der subjektive Tatbestand der Steuerhehlerei des § 374 AO setzt zunächst voraus, dass der Angeklagte erkennen oder mit der Möglichkeit rechnen muss, dass die Sache, hinsichtlich der Steuerhehlerei begangen wird, durch eine rechtswidrige Straftat nach den §§ 370, 372 Abs. 2, 373 AO erlangt ist. Der Täter braucht zwar nicht genau zu wissen, um welche (Vor)Tat es sich handelt, er muss sich aber vorstellen, dass es eine Steuerhinterziehung oder ein Bannbruch gewesen ist (Senge in Erbs/Kohlhaas; Strafrechtliche Nebengesetze, § 374 AO Rn. 23; BGH bei Holtz MDR 1977, 283). Dass der Angeklagte dies hinsichtlich der ihm übergebenen Zigaretten gewusst hat oder er mit dieser Möglichkeit rechnete, lässt sich den getroffenen Feststellungen nicht hinreichend sicher entnehmen. Das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, dass eine unbekannte Person mehrere Kartons, die mit unverzollten Zigaretten gefüllt waren, in die Gaststätte gebracht hat. Im Rahmen der Beweiswürdigung wird dann noch ausgeführt, dass "der Unbekannte für alle Anwesenden ersichtlich unverzollte Zigaretten in den Hinterraum verschafft hat". Aus diesen Ausführungen allein lässt sich aber nicht entnehmen, dass der Angeklagte wusste, dass es sich um unverzollte Zigaretten gehandelt hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte davon ausging bzw. davon ausgehen musste, dass diese nicht aus einer Steuerstraftat, sondern "nur" aus einem Eigentumsdelikt stammten.

In dem Zusammenhang wird das Amtsgericht nähere Feststellungen dazu treffen müssen und durch Vernehmung der Zeugen Z. , K. und H. treffen können, welche Vorstellungen der Angeklagte überhaupt hatte bzw. haben musste, als ihm die Tüte mit den unverzollten Zigaretten übergeben wurde. Von Bedeutung sind insoweit die näheren Umstände des Verschaffens in dem Hinterraum der Gaststätte - was ggf. von Z. und dem Unbekannten gesprochen worden ist, was der Angeklagte davon gehört, was er gesehen hat bzw. was er sehen, welche Schlüsse er dann daraus ziehen konnte bzw. musste? Auch wird das Amtsgericht die näheren Umstände der Übergabe der Zigaretten an den Angeklagten aufzuklären haben: Hat der Angeklagte in die Tüte gesehen, bevor er sie übernomme...

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