Leitsatz (amtlich)

Kommt ein Motorrollerfahrer in einem einspurigen Kreisverkehr auf feuchter Fahrbahn wegen angeblich fehlender Griffigkeit der Fahrbahndecke an einer Stelle und Bodenwellen zu Fall, ist der Vorwurf der Verkehrssicherungspflichtverletzung aus §§ 839 BGB, 9, 9a StrWG NRW dann nicht zu begründen, wenn die vermeintliche Gefahrenquelle am inneren Radius der Fahrbahn gelegen hat, die der Rollerfahrer bei Beachtung des Rechtsfahrgebotes gar nicht erreicht hätte (er also keine "sehnenartige" Fahrlinie gewählt hätte). Der Verkehrssicherungspflichtige muss nicht jeden Quadratmeter des Straßennetzes in regelmäßigen Abständen auf zu geringe Körnung des Belages untersuchen, wenn dazu kein besonderer Anlass besteht.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Beschluss vom 02.07.2008; Aktenzeichen 2 O 222/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Bielefeld vom 2.7.2008 - nicht abgeholfen durch Beschl. v. 7.8.2008 - wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Sturzes mit seinem Motorroller in dem Kreisverkehr L-Straße/I-straße innerorts von M am 28.12.2007 gegen 10:30-11:00 Uhr.

Es handelt sich um einen einspurigen Kreisverkehr. Der Antragsteller befuhr die L-Straße Richtung C. Nach den von ihm vorgelegten Lichtbildern, auf denen er seine angebliche Fahrtstrecke eingezeichnet hat, fuhr er nach Einfahrt in den Kreisverkehr auf der von ihm so bezeichneten "Ideallinie" zunächst nahezu geradeaus und kam am inneren linken Rand der Fahrbahn auf Höhe der Einmündung der I-Straße zu Fall.

Der Antragsteller hat behauptet, an der Sturzstelle sei der Straßenbelag wegen fehlender Körnung und Feuchtigkeit völlig glatt gewesen, so dass das Hinterrad weggerutscht sei. Außerdem befänden sich dort Bodenwellen. Es seien in dem Kreisverkehr vorher schon häufiger Zweiradfahrer wegen der glatten Fahrbahn zu Fall gekommen. Trotz angemessener Fahrweise mit 15-30 km/h sei es ihm aufgrund der Gefährlichkeit des Straßenbelages nicht möglich gewesen, die Kontrolle über sein Fahrzeug wiederzuerlangen.

Mit seiner beabsichtigten Klage begehrt der Antragsteller Erstattung der Reparaturkosten seines Motorrollers i.H.v. 2.141,64 EUR nebst Zinsen sowie Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 1.500 EUR.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen. Sie bestreitet, dass der Straßenbelag nicht ausreichend griffig gewesen sei. Bodenwellen seien ebenfalls auf den vorgelegten Fotos nicht erkennbar. Daher habe keine unvorhersehbare Gefahrenstelle bestanden.

Das LG hat den Antrag durch Beschluss vom 2.7.2008 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller habe nicht substantiiert dargelegt, auf welchem Straßenstück konkret das Hinterrad weggerutscht sein soll und welche Geschwindigkeit der Antragsteller konkret eingehalten habe. Darüber hinaus sei auch völlig offen, auf Grund welcher Anhaltspunkte die Antragsgegnerin Kenntnis von der angeblichen Gefährlichkeit gehabt haben sollte. Mit Schreiben vom 3.8.2008 hat der Antragsteller "Einspruch" eingelegt und zur Begründung u.a. Fotos eingereicht, auf denen er die Unfallstelle und seine ungefähre Fahrstrecke eingezeichnet habe. Darüber hinaus hat er die Aufnahmen eines Fernsehbeitrags über die angebliche Unfallstelle vorgelegt. Mit Beschluss vom 7.8.2008 hat das LG der eingelegten Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, dass nach wie vor ein Verschulden der Antragsgegnerin nicht dargelegt worden sei.

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 3.8.2008 innerhalb der Frist des § 127 Abs. 2 ZPO formgerecht Beschwerde eingelegt. Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, fehlt der beabsichtigten Klage die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der Antragsteller hat die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs gem. §§ 839 BGB, 9, 9a, 47 StrWG i.V.m. Art. 34 GG nicht dargelegt. Wie bereits das LG ausgeführt hat, ist eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Antragsgegnerin aus dem Vortrag des Antragstellers nicht zu entnehmen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller an einer Stelle zu Fall kam, die von der Antragsgegnerin bei Wahrung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht als abhilfebedürftige Gefahrenstelle erkannt werden musste.

Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden, da eine völlige Gefahrlosigkeit mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und von dem Verkehrsteilnehmer auch nicht erwartet werden kann. Vielmehr sind diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich zumutbaren geeignet sind, Gefahren abzuwenden, die den Verkehrsteilnehm...

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