Leitsatz (amtlich)

Zur beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen, insbesondere durch Anlegen von Doppelakten.

 

Verfahrensgang

AG Münster (Entscheidung vom 07.04.2006; Aktenzeichen 23 Gs 1121/06)

 

Tenor

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Münster vom 07.04.2006 (23 Gs 1121/06) wird aufgehoben.

 

Gründe

I.

Der Angeschuldigte wurde am 24.04.2006 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Münster vom 07.04.2006 festgenommen und befindet sich seitdem in dieser Sache ununterbrochen in Untersuchungshaft. In dem Haftbefehl wird dem Angeschuldigten zur Last gelegt, in sechs Fällen in Münster und an anderen Orten vorwiegend iranischen Staatsangehörigen, welche sich ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten und in dieses ohne entsprechende Genehmigung eingereist waren, Unterkunft gewährt zu haben. Ferner soll er diesen Flugtickets zur Weiterreise nach London verschafft und sie mit gefälschten griechischen Reisepässen ausgestattet haben. Für diese Tätigkeit soll er jeweils einen unbekannten Geldbetrag erhalten haben. Unter dem 01.08.2006 hat die Staatsanwaltschaft Münster Anklage gegen den Angeschuldigten beim Amtsgericht - Schöffengericht - Rheine erhoben. Gegenstand der Anklage sind die im Haftbefehl genannten sechs sowie zwei weitere Taten. Als Tatort wird nunmehr u.a. auch Greven, welches die Zuständigkeit des Amtsgerichts Rheine begründet, angenommen. Die Anklage ist dort am 7. August 2006 eingegangen. Unter dem 9. August 2006 hat der Schöffenrichter die Zustellung der Anklage verfügt und am 25. August 2006 einen Pflichtverteidiger beigeordnet. Eine weitere Förderung des Verfahrens ist bislang nicht erfolgt. Vielmehr hat der Amtsrichter unter dem 3. September 2006 folgenden Vermerk gefertigt:

"Zurzeit sind 23 Verfahren beim Amtsgericht Rheine anhängig, in denen sich der oder die Angeklagten in Haft befinden bzw. Haftbefehle bestehen.

16 dieser Verfahren sind terminiert im September, Oktober, November und Dezember.

Weiterhin liegen schon 100 neue Verfahren vor in diesem Jahr (Steigerung ca. 50 %).

Angesichts des Umfangs des Verfahrens ist eine Durcharbeitung der Akten in wenigen Tagen neben den weiteren Verfahren nicht möglich, auch keine Terminierung innerhalb der 6-Monats-Frist".

Er hat sodann die Akten der Staatsanwaltschaft zur Vorlage an das OLG weitergeleitet.

Durch die Staatsanwaltschaft wurde er dann aufgefordert, die Ausführungen in der Verfügung vom 04.09.2006 kurzfristig zu vervollständigen. Es wurde um Klarstellung gebeten, in wieviel Verfahren mit welchem Verfahrensstand sich dort Angeklagte tatsächlich in Haft befinden. Weiter wurde um Prüfung gebeten, ob nicht das Hauptverfahren vor Vorlage zum OLG eröffnet und terminiert werden könne. Dabei vertrat die Staatsanwaltschaft die Ansicht, dass die zur Verfügung stehende Zeit ohne Weiteres ausreichen dürfe.

Dies beantwortete der Schöffenrichter mit Verfügung vom 20. September 2006. Dieser war als Anlage eine Auflistung von 30 Verfahren, teils terminierter, teils nicht terminierter, bei denen es sich um "Haftsachen" handeln solle, beigefügt. Ferner nahm er wörtlich wie folgt Stellung:

"Zurzeit sind die in der Anlage befindlichen Haftsachen beim Schöffengericht anhängig. Es handelt sich dabei um Verfahren, bei denen sich ein oder mehrere Angeklagte in Strafhaft befinden, in Untersuchungshaft befinden oder ein HB besteht. Eine genaue Überprüfung ist angesichts der Personalsituation auch in der Service-Einheit nicht möglich.

Die Eingänge im Schöffengericht sind im Vergleich 2004 zu 2005 um ca. 50 - 60 % gestiegen. Z.Zt. zeichnet sich eine weitere Steigerung um ca. 20 - 30 % ab.

Mitteilungen wurden dem Landgerichtspräsidenten Mitte Februar gemacht. Die Personalsituation wurde daraufhin nicht geändert.

Z.Zt. sind 105 neue Schöffenverfahren eingegangen, ca. 135 wurden bisher erledigt. Terminiert ist mit Lücken bis Februar, bei noch ca. 40 zu terminierenden Sachen. Darunter auch Verfahren über mehrere Tage.

Eine Bearbeitung der Akte zur Prüfung der Eröffnung des Hauptverfahrens unter Auswertung der Telefonüberwachung dürfte angesichts der sonstigen Dezernatsbelastung, der Haftsachen, zudem der Tätigkeit als Haft- und Ermittlungsrichter und des Urlaubs Anfang Oktober (der schon um eine Woche verkürzt wurde) nicht vor Mitte oder Ende Oktober abgeschlossen sein, zuzüglich der Zeit, die sich die Akten beim OLG befinden. Da auch Terminsabstimmungen mit den Vert. erfolgen muss, dürften die ersten Termine nicht vor Dezember stattfinden können."

II.

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Münster vom 7. April 2006 war aufzuheben, weil die Voraussetzungen, unter denen die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus gemäß § 121 Abs. 1 StPO angeordnet werden kann, nicht vorliegen. Weder die besondere Schwierigkeit noch der besondere Umfang der Ermittlungen noch ein anderer wichtiger Grund i.S.d. § 121 Abs. 1 StPO rechtfertigen die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft. Denn das Schöffengericht Rheine hat das Verfahren nicht mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunig...

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