Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung des Betreuers für einen in Strafhaft befindlichen Betreuten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Justizvollzugsanstalt ist als Heim i.S.d. § 5 VBVG anzusehen.

2. Der Betreute kann auch in einer Justizvollzugsanstalt seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Betreute über keinen weiteren Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen verfügt (wie OLG München, Beschl. v. 4.7.2006 - 33 Wx 60/06).

 

Normenkette

VBVG § 5

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Beschluss vom 01.06.2006; Aktenzeichen 9 T 70/06)

AG Paderborn (Aktenzeichen 300 (41) XVII 4466 K-SH)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das AG Paderborn bestellte mit Beschluss vom 25.6.2002 für den mittellosen Betroffenen eine Vereinsbetreuerin von der AWO Q mit den Aufgabenkreisen der Gesundheitsfürsorge einschließlich Aufenthaltsbestimmungsrecht im Krankheitsfall, Behörden-, Sozialversicherungs- und Arbeitsplatzangelegenheiten. Seit dem 2.5.2005 befindet sich der Betroffene im geschlossenem Strafvollzug in der JVA N. Haftende ist am 1.5.2007, 2/3 seiner Strafe sind am 30.8.2006 verbüßt. Durch Beschluss vom 20.5.2003 bestellte es den Beteiligten zu 2), der seit Januar 2003 die rechtlichen Interessen des Betroffenen wahrgenommen hat, zum neuen Berufbetreuer des Betroffenen.

Mit Schriftsatz vom 23.3.2006 beantragte der Beteiligte zu 2) die Bewilligung einer pauschalen Vergütung für die Betreuung im III. und IV. Quartal 2005 (1.7.2005 bis 31.12.2005) i.H.v. monatlich 154 EUR (44 EUR × 3,5 Std.), also insgesamt 924 EUR.

Mit Beschluss vom 30.3.2006 hat das Amtgericht einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse i.H.v. monatlich 88 EUR (44 EUR × 2 Std.) - das sind für den beantragten Zeitraum insgesamt 528 EUR - festgesetzt und den weitergehenden Vergütungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar stelle die JVA, in der sich der Betreute seit Mai 2005 befinde, kein Heim i.S.v. § 5 Abs. 3 VBVG dar. Trotzdem sei eine JVA bezüglich des dem Betreuer entstehenden Betreuungsaufwandes einem Heim gleichzustellen. Auch wenn die tatsächliche Betreuung in einer JVA nicht in dem Sinne stattfinde wie in einem Heim, so entstehe für den Betreuer kein größerer Aufwand. Der Grund für den geringeren Vergütungsansatz treffe auch für eine JVA zu.

Gegen diesen ihm am 6.4.2006 zugestellten Beschluss legte der Beteiligte zu 2) sofortige Beschwerde ein, die am 7.4.2006 beim AG eingegangen ist. Er macht geltend, eine JVA lasse sich nicht unter den im Gesetz definierten vergütungsrechtlichen Heimbegriff subsumieren. Eine JVA werde nicht entgeltlich betrieben. Damit stehe der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke der eindeutige Wortlaut der Norm entgegen und bleibe für eine Auslegung kein Raum.

Das AG hat der sofortigen Beschwerde nach Einholung einer Stellungnahme der Bezirksrevisorin bei dem LG nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerdekammer hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen, die der Beteiligte zu 2) rechtzeitig eingelegt hat.

II. Die sofortige weitere Beschwerden ist nach den §§ 56g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG infolge Zulassung durch das LG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LG, weil die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG.

Der einem Betreuer zu vergütende Zeitaufwand ist aufgrund der Neuregelung durch das 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz zum 1.7.2005 nach einem pauschalierten Stundenansatz zu bestimmen (§ 5 VBVG). Dieser beträgt ab dem 13. Monat der Betreuung nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift für einen mittellosen Betreuten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim hat, zwei Stunden monatlich, und für einen mittellosen Betreuten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Heim hat, dreieinhalb Stunden. Die Höhe des dem Betreuer zu bewilligenden Stundensatzes mit 44 EUR pro Stunde steht vorliegend außer Streit.

Die entscheidenden Fragen lauten daher, ob der Betreute durch seine zweijährige Strafhaft einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt begründet hat und ob diese als Heim im Sinne des Vergütungsrechts anzusehen ist. Das LG hat zutreffend die Heimeigenschaft bejaht, die Frage, ob der Betreute in der JVA seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat, kann derzeit aber noch nicht beantwortet werden.

1. Heime im Sinne des Vergütungsrechts sind nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Laut BT-Drucks. 15/2494 (S. 32) ist die Definition eines Heimes im Sinne der Vor...

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