Entscheidungsstichwort (Thema)

AKB: Neupreisentschädigung bei "Totalschaden" innerhalb von 3 Jahren nach Erstzulassung

 

Leitsatz (amtlich)

Verspricht der Kasko-Versicherer, im Schadensfall den Neupreis zu zahlen, wenn innerhalb von 3 Jahren nach Erstzulassung des Fahrzeugs ein Totalschaden (oder der Verlust des Fahrzeugs) eintritt, und ist der Begriff des Totalschadens in den Bedingungen wirksam definiert, so hat es damit sein Bewenden.

Hier daher kein Anspruch auf Neupreisentschädigung, weil die erforderlichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen.

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 4 O 350/20)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Gründe

I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe des Klägers aus der Berufungsbegründung vom 22. Juni 2021 (Bl. 37 ff. der elektronischen Gerichtsakte II. Instanz) greifen nicht durch.

1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Neupreisentschädigung nicht zu, da es an einem bedingungsgemäßen Totalschaden im Sinne der im Versicherungsschein vom 12. November 2019 vereinbarten Klausel zur Neupreisentschädigung fehlt.

Nach ihr verspricht der beklagte Versicherer, im Schadensfall anstelle des Wiederbeschaffungswertes den Neupreis zu zahlen, wenn innerhalb von 36 Monaten nach Erstzulassung des Fahrzeugs ein Totalschaden oder der Verlust des Fahrzeugs eintritt. Über die Frage, wann von einem bedingungsgemäßen Totalschaden in diesem Sinne auszugehen ist, trifft die Klausel selbst keine nähere Regelung. Sie verweist lediglich auf weitere Erläuterungen einer - nicht aktenkundigen - "Zusatzvereinbarung Premium". Im Übrigen ist in dem Vertrag vereinbart die Geltung der - vorgelegten - AKB.

Nach der - insoweit eindeutigen - Definition in den zugrunde liegenden AKB der Beklagten kommt es in der Kaskoversicherung zu einer Totalschadenabrechnung erst, wenn nach Ziff. 1.5.1 (2) des Leistungsbausteins Kasko die erforderlichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen. Dass diese Voraussetzungen hier nicht vorlagen, hat das Landgericht zutreffend festgestellt und wird auch von der Berufung nicht in Zweifel gezogen. Nach dem Schadengutachten vom 24. Juni 2020 (Bl. 88 ff. der elektronischen Gerichtsakte I. Instanz) beliefen sich die erforderlichen Reparaturkosten auf brutto 17.142,55 EUR und lagen damit unterhalb des Wiederbeschaffungswertes von brutto 22.500 EUR. Auch nach Haftpflichtgrundsätzen bestand damit - anders als der Kläger geltend macht - kein sog. wirtschaftlicher Totalschaden. Demgegenüber kommt es nicht auf die Frage an, ob nach den Gesichtspunkten des Schadensersatzrechts von einem sog. "unechten" Totalschaden auszugehen ist, bei dem die Schadensbehebung im Wege der Reparatur zwar geringere Kosten verursacht als eine Ersatzbeschaffung, die Reparatur jedoch dem Geschädigten nicht zuzumuten ist (vgl. zu Einzelheiten Piontek in Filthaut/Piontek/Kayser, Haftpflichtgesetz 10. Aufl. § 10 Rn. 12).

Ohnehin aber folgt das Schadensersatzrecht anderen rechtlichen Prämissen als das im Streitfall maßgebliche Versicherungsvertragsrecht. Es ist von der Erwägung getragen, dass der Gesetzgeber dem Geschädigten in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Möglichkeit eingeräumt hat, die Schadenbehebung gerade unabhängig vom Schädiger in die eigenen Hände zu nehmen und in eigener Regie vorzunehmen. Die für das Haftpflichtrecht entwickelten Maßstäbe können deshalb auf die Beziehung der Parteien des Kfz-Kaskoversicherungsvertrags jedenfalls nicht unmittelbar übertragen werden (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 14. April 2021 - IV ZR 105/20, VersR 2021, 761 Rn. 21 mwN).

Demgemäß entscheidet über die Frage, ob eine bedingungsgemäßer Totalschaden vorliegt, allein die Auslegung der vereinbarten Versicherungsbedingungen. Insoweit gelten die allgemeinen Maßstäbe des Versicherungsvertragsrechts. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil v...

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