Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit richtet sich für Antragsverfahren in Familiensachen nach den Umständen, die in dem Zeitpunkt, in dem der Antrag bei Gericht eingeht, vorliegen. Später eintretende Veränderungen der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen können gem. § 2 II FamFG eine Änderung der einmal begründeten örtlichen Zuständigkeit nicht bewirken.

2. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nach § 3 I 1 FamFG tritt auch dann ein, wenn der Beschluss auf einem Rechtsirrtum beruht oder ansonsten inhaltlich fehlerhaft ist; sie entfällt nur ausnahmsweise dann, wenn die Verweisung offensichtlich gesetzwidrig ist, so dass sie objektiv willkürlich erscheint oder wenn sie unter Versagung des rechtlichen Gehörs ergangen ist, d.h. das Gericht den Verfahrensbeteiligten vor der Entscheidung keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

3. Offensichtlich gesetzwidrig ist eine Entscheidung nicht nur dann, wenn sich das verweisende Gericht über eine eindeutige Zuständigkeitsvorschrift hinwegsetzt, sondern auch dann, wenn sich das verweisende Gericht über die Zuordnung des Gerichts, an das es verweist, zu dem für die Zuordnung maßgeblichen Wohnsitz des Beteiligten offensichtlich geirrt hat.

4. Entfaltet ein Verweisungsbeschluss wegen offensichtlicher Gesetzwidrigkeit keine Bindungswirkung, ist das Familiengericht nicht daran gehindert, seinen Beschluss wegen offensichtlicher Unrichtigkeit zu berichtigen und die Verweisung an ein anderes, von ihm für örtlich zuständig gehaltenes, Gericht auszusprechen.

 

Normenkette

FamFG §§ 2-3

 

Verfahrensgang

AG Lüdinghausen (Aktenzeichen 17 F 2/11)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das AG - Familiengericht - Lüdinghausen.

 

Gründe

I. Der in B, im Gerichtsbezirk des AG T, wohnhafte Antragsteller (Beteiligte zu 1) hat am 14.6.2010 vor dem AG - Familiengericht - T einen Antrag auf Kürzung des Versorgungsausgleichs nach den §§ 33 f. VersAusglG gestellt. Der Antrag ist der - seinerzeit - in T2, im Gerichtsbezirk des AG M, wohnhaften Beteiligten zu 2), seiner geschiedenen Ehefrau, am 21.6.2010 förmlich zugestellt worden. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind durch Urteil des AG - Familiengericht - S vom 6.10.2005 rechtskräftig geschieden worden.

Das AG - Familiengericht - T hat sich, nach Anhörung der Beteiligten, auf entsprechenden Antrag der geschiedenen Eheleute durch Beschluss vom 15.7.2010 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das AG - Familiengericht - S verwiesen. Auf den Hinweis des AG S, dass keiner der Beteiligten im seinem Gerichtsbezirk wohnhaft sei, hat es seinen Verweisungsbeschluss vom 15.7.2010 berichtigt und das Verfahren durch den Beteiligten zugesandten Beschluss vom 28.7.2010 an das AG - Familiengericht - M verwiesen.

Zuvor, am 17.7.2010 ist die Beteiligte zu 2) von T2 nach E, in den Gerichtsbezirk des AG S, verzogen.

Das Familiengericht M hat die Übernahme des Verfahrens mit Beschluss vom 29.9.2010 abgelehnt und das Verfahren an das AG T zurückverwiesen. Auf die formlose Abgabe durch das AG T hat das AG - Familiengericht - S die Übernahme des Verfahrens durch Beschluss vom 5.1.2011 ebenfalls abgelehnt und die Akten an das AG M zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet.

Mit Beschluss vom 20.1.2011 hat das AG - Familiengericht - M die Sache dem Senat zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit vorgelegt. Es vertritt die Ansicht, dass der Verweisungsbeschluss des AG T vom 15.7.2010 für das AG S bindend sei, da die Beteiligte zu 2) im Zeitpunkt der Berichtigung des Verweisungsbeschlusses am 28.7.2010 nicht mehr im Bezirk des AG M gewohnt habe. Gemäß § 218 FamFG sei entweder die örtliche Zuständigkeit des AG S oder des AG T gegeben.

II. Da das familiengerichtliche Verfahren nach dem Versorgungsausgleichsgesetz zeitlich nach dem 1.9.2009 beim AG - Familiengericht - in T eingeleitet worden ist, beurteilt sich die Frage der örtlichen Zuständigkeit gem. Art. 111 I FGGRG nach neuem Recht.

Der Senat ist nach § 5 I Nr. 4 FamFG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichtes berufen, da sich sowohl das AG - Familiengericht - T als auch das AG - Familiengericht - S und das AG - Familiengericht - M jeweils durch den Beteiligten zugesandten Beschlüsse für örtlich unzuständig erklärt haben.

Das AG - Familiengericht - M ist aufgrund des Beschlusses des AG - Familiengericht - T vom 28.7.2010 für das gegenständliche Verfahren örtlich zuständig, denn der Verweisungsbeschluss ist für das Familiengericht M gem. § 3 III 2 FamFG bindend. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung ist vom Senat daher nicht zu prüfen.

1) Der Beschluss des AG - Familiengericht - T vom 28.7.2010 stellt inhaltlich eine Verweisung i.S.d. § 3 I 1 FamFG dar, denn er beinhaltet nicht nur die Verneinung der eigenen Zuständigkeit, sondern zugleich die Bejahung der örtlichen Zuständigkeit des AG - Familiengericht - M.

2) Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des AG - Familiengericht - T entfällt nicht wegen fehlerhafter Behandlung der Sache.

Die Bindungswirkung eines Verweisungsbes...

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