Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzusetzendes Einkommen beim Antrag auf PKH

 

Leitsatz (amtlich)

Entgegen dem Wortlaut des § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ZPO findet § 82 Abs. 3 S. 1 SGB XII bei der Prozesskostenhilfe keine Anwendung.

Bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber ist bei der Prozesskostenhilfe nach wie vor ein Erwerbstätigkeitsfreibetrag von höchstens 148,50 EUR abzusetzen; das entspricht 50 % des höchsten Eckregelsatzes nach § 22 Abs. 2 BSHG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 5 O 439/03)

 

Tenor

Der Antrag des Beklagten vom 1.2.2005 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für seine Berufung wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Dem Beklagten ist Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen, da die Kosten seiner Prozessführung vier Monatsraten voraussichtlich nicht übersteigen (§ 115 Abs. 3 ZPO).

I. Für die Rechtsverfolgung in zweiter Instanz wären voraussichtlich folgende, von der Prozesskostenhilfe erfassten Kosten aufzubringen:

  • Gerichtskosten gem. Nr. 1220 KV: 452 EUR
  • Kosten des eigenen Rechtsanwalts: 28/10 Gebühren nach § 13 RVG zum Streitwert bis 4.500 EUR = 764,40 EUR zzgl. 20 EUR Post- und Telekommunikationspauschale = 784,40 EUR zzgl. 125,50 EUR Umsatzsteuer = insgesamt 909,90 EUR.

Die voraussichtlichen, von der Prozesskostenhilfe erfassten Gesamtkosten (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten) betragen somit 1.361,90 EUR. Diese Kosten kann der Beklagte mit weniger als vier Monatsraten aufbringen.

Denn ausweislich der eingereichten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verfügt er über monatliche Mieteinkünfte i.H.v. 930 EUR sowie ab dem 1.2.2005 über ein weiteres monatliches Bruttoeinkommen von 4.500 EUR - das entspricht in der Steuerklasse III bei zwei Kinderfreibeträgen einem Nettoeinkommen von rund 2.930 EUR -, insgesamt also über ein Nettoeinkommen von 3.860 EUR.

Abzuziehen sind hiervon:

  • der Einkommensfreibetrag für den Beklagten i.H.v. 442 EUR; ein weiterer Einkommensfreibetrag für die Ehefrau entfällt wegen deren eigenen Einkommens,
  • der Einkommensfreibetrag für die Kinder i.H.v. je 157 EUR (311 EUR abzgl. je 154 EUR Kindergeld),
  • der Erwerbstätigkeitsfreibetrag des Beklagten i.H.v. 148,50 EUR, das entspricht 50 % des höchsten Eckregelsatzes nach § 22 Abs. 2 BSHG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung (dazu nachfolgend unter II.),
  • unterstellt angemessene Finanzierungskosten des Wohnhauses i.H.v. 1.590 EUR.
  • unterstellt angemessene weitere Wohnkosten i.H.v. 326 EUR.

Insgesamt abzuziehen sind somit 2.820,50 EUR.

Dass ein Teil der Einkünfte gepfändet ist, kann nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden, da nicht dargelegt ist, dass die den Pfändungen zugrunde liegenden Verpflichtungen ihrerseits einkommensmindernd zu berücksichtigen wären. Dasselbe gilt, soweit Aufwendungen für übernommene Bürgschaften geltend gemacht sind.

Damit verbleibt ein einzusetzendes Einkommen des Beklagten i.H.v. 1.039,50 EUR, so dass gem. § 115 Abs. 1 S. 4 ZPO monatliche Raten i.H.v. 589,50 EUR festzusetzen wären. Die Summe von vier Monatsraten beträgt somit 2.358 EUR, was die voraussichtlichen Kosten der Prozessführung in zweiter Instanz erheblich übersteigt. Auf die Frage, ob eventuell die bereits angefallenen Verfahrenskosten der ersten Instanz noch mit in die Vergleichsrechnung einzubeziehen wären (Musielak, ZPO, 4. Aufl. § 115 Rz. 56; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl., Rz. 304), kommt es nicht an, da der Beklagte in der ersten Instanz keine Prozesskostenhilfe beantragt hat und somit zu dem Zeitpunkt offensichtlich keine Bedürftigkeit vorlag. Ebenfalls muss nicht näher geprüft werden, ob sich die Wohnkosten von insgesamt annähernd 2.000 EUR noch in einem der Prozesskostenhilfe angemessenen Rahmen halten.

II. Als Erwerbstätigkeitsfreibetrag ist nur ein Höchstbetrag von 148,50 EUR abzusetzen. Das entspricht 50 % des höchsten Eckregelsatzes nach § 22 Abs. 2 BSHG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung. Entgegen dem Wortlaut des § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ZPO findet § 82 Abs. 3 S. 1 SGB XII, wonach ein Freibetrag i.H.v. 30 v.H. des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit abzusetzen wäre, bei der Prozesskostenhilfe keine Anwendung.

1. Gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ZPO in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung waren von dem einzusetzenden Einkommen die in § 76 Abs. 2, 2a BSHG bezeichneten Beträge abzusetzen. Daraus ergab sich für Erwerbstätige ein besonderer Freibetrag gem. § 76 Abs. 2a Nr. 1 BSHG, wonach Beträge "in angemessener Höhe" abzusetzen waren. Diese Regelung beruhte auf dem verfassungsrechtlichen Gebot, dass durch die Belastung mit Ratenzahlungen das Existenzminimum einer Partei nicht unterschritten werden darf (BVerfG v. 26.4.1988 - 1 BvL 84/86, BVerfGE 78, 104 [118] = NJW 1988, 2231). Zu diesem Existenzminimum gehört auch ein Mehrbedarf für Erwerbstätige (BVerfG v. 25.9.1992 - 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 [173 ff.] = FR 199...

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