Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Voraussetzungen eines Sonderbedarfs. Anspruch auf Kostenbeteiligung an Klassenfahrten und Schüleraustauschprojekten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sonderbedarf nach § 1616 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist Teil des Lebensbedarfs i.S.d. § 1610 Abs. 2 BGB und dient nicht der Finanzierung unnötiger Aufwendungen. Kosten i.H.v. 1.400 EUR für die Teilnahme an einer schulischerseits veranstalteten, zweiwöchigen Reise nach China, bestehend aus einem einwöchigen Austauschprogramm zwischen deutschen und chinesischen Schülern und einer einwöchigen touristischen Rundreise, können daher nicht als Sonderbedarf geltend gemacht werden.

2. Kosten für Klassenfahrten und Austauschprogramme mit ausländischen Schulen sind regelmäßig vorhersehbar, so dass eine Geltendmachung als Sonderbedarf nach § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausscheidet. Auf die Frage der außergewöhnlichen Höhe des Bedarfs kommt es nicht an (in Anlehnung an BGH, Urt. v. 15.2.2006 - XII ZR 4/04, FamRZ 2006, 612 ff.).

 

Normenkette

BGB §§ 1610, 1613 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Marl (Beschluss vom 10.11.2010; Aktenzeichen 11 F 110/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Marl vom 10.11.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der minderjährige Antragsteller beabsichtigt, den Antragsgegner, seinen Vater, u.a. auf Zahlung eines Betrages von 1.052,50 EUR als Sonderbedarf in Anspruch zu nehmen und sucht hierfür mit seinem im Mai 2010 bei Gericht eingegangenen Antrag um Verfahrenskostenhilfe nach. Insoweit handelt es sich um die Hälfte der Kosten, die für Klassenfahrten nach Österreich und zum Biggesee sowie für Schüleraustauschprojekte in England und in China entstanden und von der Kindesmutter, die Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge ist, getragen worden sind.

Das AG hat (auch) insoweit den Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragstellers zurückgewiesen. Bezüglich der Fahrt nach Österreich, die vom 29.1. bis zum 6.2.2009 stattfand, sei die Jahresfrist des § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstrichen. Hinsichtlich der Fahrt nach China sei eine Notwendigkeit nicht vorgetragen. Hinsichtlich der Klassenfahrt zum Biggesee und des Englandaustausches handele es sich nicht um Sonderbedarf.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. Er macht geltend, bei den Kosten für Klassenfahrten handele es sich um Sonderbedarf, und zwar auch dann, wenn, wie hier, Unterhalt nach der fünften Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle gezahlt werde.

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da der beabsichtigten Rechtverfolgung die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt, §§ 113 Abs. 1 S. 1 FamFG, 114 S. 1 ZPO.

1. Hinsichtlich der hälftigen Kosten der Skifreizeit in Österreich im Januar/Februar 2009 i.H.v. 187,50 EUR sowie der hälftigen Kosten für den China-Austausch i.H.v. 700 EUR ist die sofortige Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die der Senat Bezug nimmt, nicht begründet. Der Antragsteller hat sich in seiner Beschwerdebegründung mit diesem Teil des angefochtenen Beschlusses nicht auseinandergesetzt.

Ergänzend weist der Senat hinsichtlich der Kosten für die China-Reise darauf hin, dass Sonderbedarf Teil des Lebensbedarfs i.S.d. § 1610 Abs. 2 BGB ist und nicht der Finanzierung unnötiger Aufwendungen dient. Es muss sich um die Deckung notwendiger Lebensbedürfnisse handeln, wobei auf die Sicht eines objektiven Betrachters unter Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände abzustellen ist (Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 6 Rz. 2, Büttner/Niepmann/Schwamb, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 11. Aufl., Rz. 325 m.w.N.). Dass diese Voraussetzungen hier zu bejahen wären, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Denn der erstmalig von der Schule angebotene Austausch mit China stellte, wie sich nicht zuletzt aus dem Schreiben der Schule vom 3.5.2010 ergibt, ein zusätzliches Angebot zu den bestehenden Schüleraustauschprojekten, etwa mit England, dar. Dieses Angebot ging deutlich über eine übliche Schulveranstaltung hinaus, was sich sowohl aus dem Angebotsinhalt (eine Woche Austausch, eine Woche touristische Rundreise) als auch aus dem Preis von 1.400 EUR ergab, so dass sich das Angebot von vorneherein nur an einen Teil der Schüler richtete und eine Teilnahme nicht als notwendig angesehen werden kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen Antragsgegners, der als Beamter Bezüge nach der Besoldungsgruppe A 10 erhält, also nicht über ein außergewöhnlich hohes Einkommen verfügt. Eine Kostenbeteiligung des Antragsgegners wäre daher nur auf einvernehmlichem Weg zu erreichen gewesen.

2. Hinsichtlich der hälftigen Kosten für den Englandaustausch 2010 i.H.v. 100 EUR und für die Fahrt zum Biggesee i.H.v. 65 EUR folgt der Senat ebenfalls den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss. Es handelt sich insoweit nicht um Sonderbedarf i.S.v. § ...

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