Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft D. erhob am 08.01.2001 gegen den Angeklagten und den Mitangeklagten Sch. Anklage wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in 15 Fällen. Mit Schriftsatz vom 05.02.2001 bestellte sich Rechtsanwalt S. in B. unter Vorlage einer vom Angeklagten unterzeichneten Strafprozessvollmacht zum Verteidiger des Angeklagten. Das Landgericht D. - IV. Strafkammer - beschloss am 08.04.2003 die Eröffnung des Hauptverfahrens. Gleichzeitig beraumte der Vorsitzende Hauptverhandlungstermin auf den 05.06.2003 an. In diesem Hauptverhandlungstermin erschien der Mitangeklagte Sch. nicht. Der Hauptverhandlungstermin wurde daraufhin vertagt und gegen den Mitangeklagten Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO erlassen. Rechtsanwalt S. wurde auf seinen Antrag hin mit Beschluss des Vorsitzenden vom 05.06.2003 zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt.

Nachdem der Mitangeklagte Sch. auf der Grundlage des gegen ihn erlassenen Hauptverhandlungshaftbefehls am 16.07.2003 inhaftiert worden war, beraumte der Vorsitzende der Strafkammer mit Verfügung vom 01.08.2003 neuen Hauptverhandlungstermin auf den 17., 19. und 20. November 2003 an. Auf Anordnung des Vorsitzenden und auf Grund einer entsprechenden Verfügung der Geschäftsstelle vom 18.08.2003 wurde auch Rechtsanwalt S. in B. als Pflichtverteidiger zu der neuen Hauptverhandlung geladen. Mit Schriftsatz vom 28.08.2003, beim Landgericht D. eingegangen am 01.09.2003, beantragte Rechtsanwalt S., den Hauptverhandlungstermin vom 19.11.2003 aufzuheben und insoweit einen neuen Verhandlungstermin zu bestimmen, da er an diesem Tag bereits als Pflichtverteidiger in einem sehr umfangreichen Strafverfahren einen Hauptverhandlungstermin beim Landgericht B. wahrzunehmen habe, zu dem er geladen sei. Der Vorsitzende der Strafkammer teilte daraufhin mit Schreiben vom 16.09.2003 sowohl Rechtsanwalt S. als auch dem Angeklagten mit, dass der Termin vom 19.11.2003 nicht verlegt werden könne und wegen Verhinderung von Rechtsanwalt S. daher beabsichtigt sei, dem Angeklagten einen anderen Pflichtverteidiger zu bestellen. Anregungen zur Auswahl des neuen Pflichtverteidigers könnten dem Gericht binnen einer Woche mitgeteilt werden.

Mit Schreiben vom 22.09.2003, eingegangen beim Landgericht D. am 25.09.2003, widersprach der Angeklagte der Beiordnung eines anderen Verteidigers unter Hinweis darauf, dass Rechtsanwalt S. Verteidiger seines Vertrauens sei und sich ein anderer Verteidiger erst in das Verfahren einarbeiten müsse. Gleichzeitig beantragte er die Vertagung des Hauptverhandlungstermins vom 19.11.2003.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 08.10.2003 bestellte der Vorsitzende der Strafkammer Rechtsanwalt D. aus D. zum neuen Pflichtverteidiger des Angeklagten unter gleichzeitiger Entpflichtung von Rechtsanwalt S.. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Angeklagte mit seiner schriftlichen Beschwerde vom 21.10.2003. Auch Rechtsanwalt S. hat mit Schriftsatz vom 24.10.2003 im Namen des Angeklagten Beschwerde gegen die Entscheidung des Vorsitzenden vom 08.10.2003 erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, dass durch die Auswechslung des Pflichtverteidigers das Recht des Angeklagten, durch einen Pflichtverteidiger seines Vertrauens verteidigt zu werden, verletzt worden sei.

Der Vorsitzende der Strafkammer hat der Beschwerde unter Hinweis auf die Vorschrift des § 213 StPO nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gemäß § 304 StPO statthafte Beschwerde gegen die außerhalb der Hauptverhandlung getroffene Entscheidung des Strafkammervorsitzenden, unter Zurücknahme der Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt S. Rechtsanwalt D. zum neuen Pflichtverteidiger des Angeklagten zu bestellen, ist zulässig und auch nicht mit der zwischenzeitlichen Durchführung der Hauptverhandlung gegenstandslos geworden, da die Pflichtverteidigerbestellung bis zur Urteilsrechtskraft gilt.

Die Beschwerde ist in der Sache auch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Die gegen den erklärten Willen des Angeklagten vorgenommene Auswechslung des Pflichtverteidigers war rechtsfehlerhaft. Sie verletzte den Angeklagten in seinem Recht auf wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 c MRK) und verstieß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Zwar ist ein Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung, obwohl in § 143 StPO und damit gesetzlich nicht vorgesehen, nach ganz herrschender Meinung zulässig, wenn Umstände vorliegen, die dem Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 143 Rdnr. 3 m.w.N.). Im Rahmen dieser Prüfung ist das aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens abzuleitende und in der Ve...

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