Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, der Tatrichter habe, ohne zuvor auf diese Möglichkeit hinzuweisen, durch vorläufige Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Verfahrensstoff bei der Verurteilung des Angeklagten zu seinen Lasten verwertet, ist die Verfahrensrüge nur dann ausreichend begründet, wenn auch vorgetragen wird, in welchem Verfahrensstadium das Verfahren eingestellt worden ist.

  • 2.

    Die (ggf. zulässige) Berücksichtigung von durch vorläufige Einstellung ausgeschiedenen Verfahrensstoff bei der Beweiswürdigung setzt voraus, dass der Tatrichter diesen prozessordnungsgemäß festgestellt hat.

 

Verfahrensgang

AG Bochum (Entscheidung vom 09.12.2002)

 

Tenor

Das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 09. Dezember 2002 wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bochum zurückverwiesen.

Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Urteils vom 9. Dezember 2002 ist gegenstandslos.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Strafrichter - Bochum hat die Angeklagte wegen Beförderungserschleichung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15,00 EURO verurteilt. Dagegen wendet sich die Angeklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision, mit der sie die formelle und materielle Rüge erhebt. Mit der Verfahrensrüge rügt die Angeklagte insbesondere eine Verletzung der §§ 154 Abs. 2, 261, 265, 244 Abs. 2 StPO. Sie ist der Ansicht, dass sie auf Grund eines unterbliebenen Hinweises des Gerichts habe darauf vertrauen dürfen, dass nach § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedener Verfahrensstoff nicht zu ihren Lasten verwertet werde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat ebenfalls beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bochum zurückzuverweisen. Sie ist der Ansicht, die von der Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung des fairen Verfahrens (Verstoß gegen § 265 StPO analog) sei ordnungsgemäß erhoben und auch in der Sache begründet.

II.

Die zulässige Revision der Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts, nicht dagegen mit der Verfahrensrüge, vorläufig Erfolg.

1.

Die Angeklagte macht mit der Verfahrensrüge geltend, das Amtsgericht habe, ohne sie zuvor auf diese Möglichkeit hinzuweisen, zwei durch vorläufige Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedene Taten der Beförderungserschleichung bei der ihrer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 265 a StGB zu Grunde liegenden Beweiswürdigung zu ihren Lasten verwertet.

Diese Rüge ist - entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft - nicht ausreichend im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO begründet. Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO muss der Revisionsführer, der eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend machen will, die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGHSt 3, 213, 214; BGHSt NJW 1982, 1655; BGHSt NJW 1995, 2047; Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, 2003, § 344, Rn. 21 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Diesen Anforderungen wird die Begründung der Verfahrensrüge nicht gerecht. Der Senat kann nämlich allein auf Grund der Angaben der Angeklagten nicht überprüfen, ob sich die Angeklagte zu Recht auf einen Vertrauensschutz beruft. Die Angeklagte trägt zwar vor, dass in der Hauptverhandlung am 9. Dezember 2002 ein Teileinstellungsbeschluss nach § 154 Abs. 2 StPO betreffend der der Angeklagten zunächst auch zur Last gelegten Taten vom 19. Februar 2001 und 23. Juli 2001 erfolgt ist. Ferner zitiert sie auch die Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung, durch die gegen die nach ihrer Ansicht gegebene Verwendungssperre verstoßen worden sein soll, wörtlich und weist zutreffend darauf hin, dass auf Grund der negativen Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) feststehe, dass ein Hinweis (§ 265 StPO) über die ggf. doch erfolgende Verwertung des ausgeschiedenen Prozessstoffes durch den Tatrichter nicht erfolgt ist.

Dies ist jedoch nicht ausreichend. Es muss vielmehr für eine ordnungsgemäße Begründung auch noch vorgetragen werden, in welcher Verfahrenslage der Teileinstellungsbeschluss erfolgte (so auch Rieß in der Anmerkung zu BGH NStZ 1987, 134). Anderenfalls lässt sich nämlich nicht genügend sicher feststellen, ob sich der Beschwerdeführer zu Recht auf einen ihm gegenüber geschaffenen Vertrauensschutz berufen kann. In der Rechtsprechung des BGH ist zwar dem Grundsatz nach anerkannt, dass die durch eine vorläufige Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Taten bei der Beweiswürdigung der verbliebenen Tat nur dann zu Lasten des Angeklagten verwendet werden dürfen, wenn dieser zuvor auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (BGH NJW 1983, 1540; NJW 1996, 2585, 2586; StV 1996, ...

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