Leitsatz (amtlich)

1. Zur Zumutbarkeit der Verwertung von im Ausland belegenen Grundbesitzes (hier Rumänien).

2. Nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen schuldet der Unterhaltsverpflichtete jedenfalls dann keinen Prozesskostenvorschuss, wenn dadurch sein notwendiger Selbstbehalt verletzt würde.

3. Ist der Unterhaltverpflichtete hingegen in der Lage, ohne Verletzung seines Eigenbedarfs Raten auf den Prozesskostenvorschuss zu leisten, steht eine mangelnde Fähigkeit, den Vorschuss in einer Summe zu leisten, dem Anspruch nicht entgegen.

 

Normenkette

BGB § 1360 Abs. 4 S. 1; ZPO §§ 114-115

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 8 O 426/20)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 24.02.2021 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Das Landgericht hat die Versagung von Prozesskostenhilfe damit begründet, die Antragstellerin habe ihre Bedürftigkeit nicht hinreichend dargetan, weil sie keine ausreichende Auskunft über den Wert des in Rumänien gelegenen Grundstücks erteilt und nicht dargelegt habe, dass dessen Verwertung oder Beleihung für sie eine unzumutbare Härte darstelle. Diese Begründung vermag die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht zu tragen.

2. Die §§ 114, 115 ZPO bestimmen, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Partei und damit davon abhängt, ob sie die Prozesskosten aus ihrem eigenen Einkommen und/oder Vermögen aufbringen kann oder nicht.

Gem. § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat die antragstellende Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht Überlegungen dahingehend angestellt, dass der hälftige Miteigentumsanteil der Antragstellerin an dem in Rumänien gelegenen bebauten Grundstück einen relevanten Vermögenswert darstellen kann, den die Klägerin zur Finanzierung des beabsichtigten Prozesses einzusetzen verpflichtet sein könnte. Nach den Angaben der Antragstellerin handelt es sich dabei um ein im Jahre 1970 in Stroh- und Lehmbauweise eingeschossig errichtetes Gebäude mit Anbau mit einer Gesamtfläche von 66 qm nebst einem Schuppen von 16 qm auf einem ca. 823 qm großen Grundstück. Dem Grundstück zugeschlagen ist eine Ackerfläche von 900 qm. Das in der Nähe von Bukarest im ländlichen Bereich gelegene Objekt befindet sich noch im Ausbauzustand. Es verfügt weder über einen Wasser- noch einen Stromanschluss und ist nicht an eine öffentliche Kanalisation angeschlossen. Der Kaufpreis betrug im Jahre 2003 ca. 625,- EUR, wovon die Antragstellerin und ihr Ehemann selbst nur 200,- EUR aufbrachten. Nach Recherchen der Antragstellerin, basierend auf Anfragen bei der örtlichen Verwaltung, werden besser ausgestattete Häuser mit Strom- und Wasseranschluss in bevorzugter Wohnlage gegenwärtig mit Preisen zwischen 3.000,- EUR und 5.000,- EUR gehandelt.

Die vom Landgericht demgegenüber angemeldeten Zweifel werden vom Senat nicht geteilt. Der Senat hat keine Bedenken, im Rahmen der Bewertung des hälftigen Anteils der Antragstellerin deren Angaben zu folgen. Eine Beleihung des hälftigen Miteigentumsanteils verschafft deshalb ersichtlich nicht annähernd die finanziellen Mittel, die erforderlich sind, um die Kosten des angestrebten Prozesses zu decken. Hierzu gehören neben den Kosten des eigenen Bevollmächtigten auch die erheblichen Kosten für die unumgängliche Beweisaufnahme durch Einholung von medizinischen Gutachten zumindest zweier Fachrichtungen, wobei die Antragstellerin darlegungs- und beweispflichtig und dementsprechend auch vorschusspflichtig ist. Selbst ein Verkauf des Miteigentumsanteils - wobei ernsthaft nur ein Verkauf an den eigenen Ehemann als weiteren Miteigentümer in Betracht kommt - vermag die voraussichtlich anfallenden Prozesskosten nicht zu decken.

Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz des bescheidenen Vermögenswertes vorliegend der Antragstellerin auch nicht zumutbar, zumal ungewiss ist, wie sie den aufzunehmenden Kredit mangels eigener Mittel finanzieren sollte und den Miteigentumsanteil halten können wollte, wenn der angestrebte Prozess verloren geht.

3. Die Antragstellerin verfügt nach vorläufiger Einschätzung aber möglicherweise über einen weiteren Vermögenswert iSd § 115 Abs. 3 ZPO, nämlich einen Anspruch gegen ihren Ehemann gem. § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB auf Prozesskostenvorschuss, der bislang nicht Gegenstand der Überlegungen gewesen ist.

3.1 Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines eine persönliche Angelegenheit betreffenden Rechtsstreits zu tragen, so ist der andere Ehegatte gem. § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Die Prüfung der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen erfol...

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