Leitsatz (amtlich)

1. Unter einer Gesundheitsbeschädigung i.S.v. § 223 StGB ist das Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustandes zu verstehen. Diese muss über eine ganz geringfügige Einwirkung auf die körperliche Integrität hinausgehen. Regelmäßig ist eine bloße Rötung noch keine Gesundheitsbeschädigung.

2. Die körperliche Misshandlung i.S.v. § 223 StGB ist ein übles, unangemessenes Behandeln, das das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens setzt nicht unbedingt das Zufügen eines Schmerzes voraus. Es darf sich aber nicht nur um eine ganz unerhebliche Einwirkung handeln. Die Beurteilung der Erheblichkeit bestimmt sich dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters - nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen - und richtet sich insbesondere nach Dauer und Intensität der störenden Beeinträchtigung.

3. § 315 Abs. 1 StGB setzt eine konkrete Gefährdung der dort genannten Rechtsgüter voraus. Für einen Gefährdungsvorsatz reicht das allgemeine Bewusstsein, fremde Rechtsgüter zu gefährden, nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass der Täter die Umstände kennt und billigend in Kauf nimmt, die einen konkreten Schadenseintritt als nahe liegende Möglichkeit erscheinen lassen.

 

Normenkette

StGB §§ 223, 315 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Essen (Entscheidung vom 22.11.2021; Aktenzeichen 66 Ns 66/21)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XXVI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 22.11.2021 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21.04.2022 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 11.06.2021 unter Einbeziehung der Strafe des Amtsgerichts Recklinghausen vom 21.10.2020 (Az.: 81 Ds - 141 Js 21/20) und unter Auflösung der Gesamtstrafe und unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des AG Essen (Az.: 46 Ds - 14 Js - 415/20 - 159/20), wobei es die dortige Geldbuße aufrechterhielt, wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Es hat ihn darüber hinaus wegen eines versuchten gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt wird und es im Übrigen bei dem Urteilsausspruch des Amtsgerichts Essen "verbleibt".

Zur Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

1.

"Der Angeklagte erklärte am 15.05.2020 gegen 12:00 Uhr gegenüber dem späteren Geschädigten A auf der in der Zwischenebene befindlichen, abwärts fahrenden Rolltreppe am Hauptbahnhof Essen, er werde ihn jetzt von der Rolltreppe treten. Daraufhin trat der Angeklagte den Geschädigten A bewusst und zielgerichtet in den Rücken, so dass dieser zwei bis drei Stufen nach unten stolperte. Dem Geschädigten A gelang es, sich an den sich an dem Handlauf der Rolltreppe fest zu halten und so einen Sturz die Rolltreppe hinunter zu vermeiden.

2.

Als sie auf der unteren Ebene angekommen waren, kam es zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten A zu einer verbalen Diskussion. Der Angeklagte zeigte sich äußerst aggressiv und schlug dem Geschädigten A mit seiner geballten linken Faust bewusst und zielgerichtet auf die rechte Wange, welche sich infolge dessen rötete und zu pochen begann.

Der Geschädigte A stellte am 15.05.2020 Strafantrag.

3.

Am 13.01.2021 gerieten der Angeklagte und eine weitere unbekannte Person in der Mittagszeit auf dem Bahnsteig bei Gleis 11/12 des Essener Hauptbahnhofs in eine verbale Auseinandersetzung. Verärgert warf der Angeklagte das Fahrrad der Person bewusst und zielgerichtet in das neben ihm befindliche Gleisbett. Obwohl das Fahrrad teilweise auf den Schienen liegen blieb, beließ der Angeklagte es in dem Gleisbett und verließ den Bahnsteig. Der Angeklagte nahm hierbei billigend in Kauf, dass in das Gleis einfahrende Züge mit dem Fahrrad kollidieren könnten und er dementsprechend durch sein Verhalten Leib oder Leben anderer Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdete."

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts, jeweils in allgemeiner Form. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zu Grunde liegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache (§§ 349 Abs. 4; 353; 354 Abs. 2 StPO).

Die Überprüfung d...

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