Leitsatz (amtlich)

Die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den im Jahr 1977 geborenen Kindesvater kann gerechtfertigt sein, obwohl dieser im Jahre 2010 wegen in den Jahren 1992 bis 1994 begangenen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden ist.

 

Normenkette

BGB § 1671

 

Verfahrensgang

AG Dülmen (Beschluss vom 29.10.2010; Aktenzeichen 6 F 155/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin (Kindesmutter) gegen den am 29.10.2010 verkündeten Beschluss des AG - Familiengericht - Dülmen wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; im Übri-gen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragsgegnerin auf-erlegt.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das betroffene Kind K ist aus der nichtehelichen Beziehung der am 24.7.1985 geborenen Kindesmutter und des am 11.2.1977 geborenen Kindesvaters hervorgegangen. Der Kindesvater hat die Vaterschaft für das betroffene Kind K anerkannt. Am 15.12.2008 gaben die Eltern eine gemeinsame Sorgeerklärung ab. Der Kindesvater lebte vom 14. bis zum 17. Lebensjahr wegen Verhaltensauffälligkeiten in einem Heim für Kinder und Jugendliche in der Nähe von Q. Er hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Seit 1998 war er in erster Ehe verheiratet. Die Trennung erfolgte im Jahr 2005. Seit ca. 2008 lebte er mit der Kindesmutter zusammen. Diese hat nach dem Abschluss der Hauptschule eine Lehre zur Bäckereifachverkäuferin erfolgreich absolviert. Sie konnte den Beruf jedoch wegen einer Mehlstauballergie nicht ausüben. Die Kindeseltern lebten bis zum 27.4.2009 in einer gemeinsamen Wohnung zusammen. An diesem Tag ist der Kindesvater abredewidrig nicht in die Wohnung zurückgekehrt, sondern mit dem Kind zu seinen Eltern gezogen. Am 29.4.2009 stellte er einen Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts. Die Kindesmutter stellte am 30.4.2009 einen Antrag auf Herausgabe des Kindes an sich im Wege der einstweiligen Anordnung. In einem gerichtlichen Anhörungstermin vom 7.5.2009 einigten sich die Kindeseltern darauf, dass das Kind bis zur Entscheidung in der Hauptsache seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei der Kindesmutter haben sollte und dem Kindesvater regelmäßig Umgang mit dem Kind gewährt werden sollte. Am 17.6.2010 beantragte der Kindesvater die Durchführung eines Vermittlungsverfahrens mit der Begründung, die Kindesmutter gewähre keinen regelmäßigen Umgang. Die Kindesmutter ihrerseits beantragte, den Umgang auszuschließen, und trug zur Begründung vor, sie habe den Verdacht, der Kindesvater habe das betroffene Kind an den Umgangswochenenden sexuell missbraucht. Wegen anderer Vorgänge erhob die Staatsanwaltschaft Münster im Mai 2009 Anklage gegen den Kindesvater wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs in 2 Fällen. Dem lagen Taten aus den Jahren 1992 bis 1994 zugrunde, die von den beiden Geschädigten erst im Jahre 2009 zur Anzeige gebracht worden waren. Der Kindesvater wurde vom Jugendschöffengericht in Dülmen am 22.3.2010 wegen sexuellen Missbrauchs in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die dagegen eingelegte Berufung des Kindesvaters wurde durch Urteil des LG Münster vom 23.7.2010 zurückgewiesen. Die Verurteilung ist rechtskräftig seit dem 31.7.2010. Nachdem das AG die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet hatte, hat die Kindesmutter im Verlaufe der Begutachtung gegenüber dem Kindesvater geäußert, dass das betroffene Kind nicht von ihm stamme. Die Kindesmutter lebte zunächst mit meinem E2 in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Gegenüber dem zuständigen Jugendamt äußerte die Kindesmutter erneut den Verdacht, dass der Kindesvater das betroffene Kind sexuell missbraucht habe. Im Rahmen ihrer Anhörung durch das AG gab die Kindesmutter an, dass dieser Verdacht auf einer Beeinflussung durch den E2 beruhe. Nunmehr lebt die Kindesmutter mit einem Mann mit dem Vornamen T zusammen in einer Wohngemeinschaft. Der Kindesvater heiratete am 10.6.2011 seine bisherige Lebensgefährtin, mit der er zusammen den am 15.2.2010 geborenen Sohn K2 hat. Seine Ehefrau ist von Beruf Krankenschwester. Der Kindesvater befindet sich derzeit in Elternzeit.

Durch den angefochtenen Beschluss ist in Abänderung der Sorgeerklärung der Eltern die elterliche Sorge für das betroffene Kind auf den Kindesvater allein übertragen worden und für die Dauer eines Jahres eine Umgangspflegschaft angeordnet worden. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, die Kindeseltern seien zu einer gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge nicht in der Lage, da keine Einigkeit über den Aufenthalt des Kindes und den Umgang mit ihm bestehe. Es entspreche dem Wohl des Kindes am besten, wenn der Kindesvater das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausübe und das Kind bei ihm seinen dauerhaften Aufenthalt habe. Nach den Ausführungen des Sachverständigen könne der Kindesvater die Bedürfnisse des Kindes sehr gut erkennen. Er habe im Umgang mit dem Kind sehr gute Kompete...

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