Leitsatz (amtlich)

1. Der Schuldner ist an seine einseitige Verpflichtungserklärung und damit zugleich an die ihr nach Grund und Höhe zugrunde liegenden Umstände rechtsgeschäftlich gebunden, weil die einseitig erstellte Jugendamtsurkunde regelmäßig zugleich zu einem Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB führt. Macht der Schuldner eine Herabsetzung des Unterhalts geltend, muss er deshalb diese Umstände vortragen und darlegen, dass die bisherige Unterhaltsleistung für ihn wegen Änderung der Verhältnisse nach § 242 BGB unzumutbar geworden ist.

2. Auch prognostizierte Umstände und Fiktionen unterliegen einer Abänderung. In diesem Fall setzt ein erfolgreiches Abänderungsbegehren voraus, dass in den Verhältnissen, die zu den einzelnen Fiktionen geführt haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, die einem Festhalten an der ursprünglichen Prognosebeurteilung entgegensteht.

 

Normenkette

FamFG § 239; BGB § 242

 

Verfahrensgang

AG Warendorf (Beschluss vom 27.08.2012; Aktenzeichen 9 F 94/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der am 27.8.2012 verkündete Beschluss des AG - Familiengericht - Warendorf teilweise abgeändert.

Die Jugendamtsurkunden des Kreises Warendorf vom 11.8.2011 - Urkundenregister-Nr.: 3.../2011 und 3.../2011 - werden dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller ab dem 6.6.2012 für die Kinder W L, geboren am... 20..., und M L, geboren am... 20..., an die Antragsgegnerin monatlichen Kindesunterhalt wie folgt zu zahlen hat:

a) 06.06. bis 31.12.2012 je Kind 225 EUR

b) ab 1.1.2013 je Kind 200 EUR.

Der weiter gehende Antrag und die weiter gehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden dem Antragsteller zu 9/10 und der Antragsgegnerin zu 1/10 auferlegt.

Die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung wird angeordnet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die Abänderung der Urkunden des Kreises Warendorf vom 11.8.2011, durch die er sich zur Zahlung des Mindestunterhalts für seine beiden Kinder M L (Urkundenregister-Nr. 3.../11) sowie W L (Urkundenregister-Nr. 3.../11) ab dem... 20... verpflichtete. Ziel ist die Herabsetzung des Unterhalts auf jeweils 50 EUR pro Kind monatlich ab dem... 20..., dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Antrags.

Der am 19.1.1976 geborene Antragsteller absolvierte in Russland ein Wirtschaftsstudium und war anschließend als Verkaufsmanager tätig. Nach der Eheschließung mit der Antragsgegnerin kam er im Jahre 2002 nach Deutschland, wo die gemeinsamen Kinder W (*... 20...) und L (*... 20...) geboren wurden. Die Eheleute trennten sich am 13.4.2011, als der Antragsteller nach Russland zurückging. Zeitgleich kündigte er seine Arbeitsstelle als Maschinenführer bei der Firma W in Ostbevern, bei der er erstinstanzlich unstreitig 1 600 EUR, nach dem zweitinstanzlichen Vortrag des Antragstellers ein Einkommen i.H.v. 1 550 EUR erzielt hatte. In Russland arbeitete er in St. Petersburg bei einem Freund. Im August 2011 wurden die verfahrensgegenständlichen Jugendamtsurkunden erstellt. Der Antragsteller kehrte im Oktober 2011 aus Russland nach Deutschland zurück.

Er arbeitet seit dem 23.1.2012 bei der Firma G GmbH. Zunächst war er nach dem Arbeitsvertrag vom 20.1.2012 (Bl. 9, 155) mit einer monatlichen Arbeitszeit von 151,67 Stunden bei einem tariflichen Entgelt von 7,89 EUR pro Stunde zzgl. einer übertariflichen Zulage von 1,05 EUR beschäftigt. Ab 1.11.2012 beträgt nach dem Arbeitsvertrag vom 30.10.2012 (BI.146) die monatliche Arbeitszeit 156 Stunden bei einem Verdienst von 9,42 EUR pro Stunde.

Der Antragsteller hat die Abänderung der Jugendamtsurkunden begehrt, da er nur noch über ein Nettoeinkommen i.H.v. 1 050 EUR monatlich verfüge. Entgegen seiner Annahme habe er in Russland kein Einkommen i.H.v. 1 500 EUR erzielt, sondern nur i.H.v. ca. 500 EUR, weshalb er nach Deutschland zurückgekehrt sei.

Wegen der Einzelheiten und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Das AG hat den Abänderungsantrag zurückgewiesen. Eine Abänderung komme nicht in Betracht, da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers verbessert hätten. Zum Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde habe der Antragsteller 500 EUR netto monatlich verdient, jetzt seien es 1 050 - 1 100 EUR netto.

Gegen den Beschluss des AG wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Er - der Antragsteller - sei im August 2011 davon ausgegangen, dass er im Jahresdurchschnitt ein Einkommen von mindestens 1 500 EUR monatlich erzielt. Dies sei von seinem Arbeitgeber, einem Freund, zugesagt worden. Der Freund verkaufe Küchengeräte über Internet bzw. Telefon, das Geschäft habe damals angezogen. Zudem habe er in Russland bei seinem Vater leben können und keine Miete zahlen müssen. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass die Zusage des Freundes nicht eingehalten worden sei und er nur 500 EUR netto verdient habe. Deshalb sei er nach Deutschland ...

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