Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der menschenunwürdigen Unterbringung des Strafgefangenen in einer Gemeinschaftszelle.

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Entscheidung vom 16.08.2004)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird - mit Ausnahme der Festsetzung des Gegenstandswertes - aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß die gemeinsame Unterbringung des Betroffenen mit einem Mitgefangenen in dem Haftraum 233 der Justizvollzugsanstalt Detmold in der Zeit vom 27. bis 28. Mai 2003 sowie 11. Juni bis 10. Juli 2003 rechtswidrig war.

Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Der Betroffene verbüßt zur Zeit Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Detmold, die vor dem 1. Januar 1977 errichtet wurde. Dort war er bis zum 27. Mai 2003 als Hausarbeiter tätig und in dieser Zeit in dem Einzelhaftraum 246 untergebracht, der sich unmittelbar neben der Spülzelle nebst Lagerraum befindet und aus organisatorischen Gründen ausschließlich als Einzelhaftraum für Hausarbeiter dient. Am 27. Mai 2003 wurde der Betroffene verhaltensbedingt von seiner Hausarbeitertätigkeit abgelöst und, da der Haftraum 246 für den neuen Hausarbeiter benötigt wurde, in den Haftraum 233 verlegt, der zu diesem Zeitpunkt mit einem weiteren Gefangenen belegt war. Da ein Einzelhaftraum, den der Betroffene noch am selben Tag schriftlich für sich beanspruchte, nicht zur Verfügung stand, wurde der Betroffene auf die Liste der Interessenten für einen Einzelhaftraum gesetzt, wo er Platz 25 der Warteliste einnahm. In dem Haftraum 233 war der Betroffene in der Zeit vom 27. bis zum 28. Mai 2003 und - aufgrund einer Entscheidung des Leiters der Justizvollzugsanstalt vom 10. Juni 2003 - in der Zeit vom 11. Juni bis zum 10. Juli 2003 mit jeweils einem weiteren Gefangenen gemeinschaftlich untergebracht. Ab dem 5. Juni 2003 arbeitete der Betroffene wieder durchgängig ganztägig in einem Werkbetrieb gemeinschaftlich mit anderen Gefangenen. Zur Größe und Ausstattung des Haftraums 233 hat die Strafvollstreckungskammer folgende Feststellungen getroffen:

"Der Raum hat eine lichte Höhe von 2,75 m. Der Rauminhalt beträgt 24,29 cbm. Die Lüftungsmöglichkeit besteht durch ein Fenster an der rechten Ecke der Stirnseite der östlichen Außenwand zum Innenhof. Das Mauermaß der Fensteröffnung beträgt 1,39 m x 1,11 x. Der Lüftungsquerschnitt durch die Außengitterelemente aus Beton beträgt gesamt 0,93 qm. Möbliert war der Haftraum mit einem doppelstöckigen Bett, zwei Schränken, zwei kleinen Tischen und zwei Stühlen. Die im Raum befindliche Toilette war mit einer Schamwand als Sichtschutz abgetrennt. Eine separate Ablufteinrichtung war nicht vorhanden."

Mit Schreiben vom 11. Juni 2003, bei der Justizvollzugsanstalt Detmold eingegangen am 13. Juni 2003, erhob der Betroffene Widerspruch "gegen die gemeinschaftliche Unterbringung im Haftraum 233". Diesen Widerspruch wies der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen mit Bescheid vom 2. Juli 2003, dem Betroffenen zugestellt am 8. Juli 2003, als unbegründet zurück. In dem Widerspruchsbescheid heißt es:

"Ihre gemeinschaftliche Unterbringung mit einem weiteren Gefangenen in einem Einzelhaftraum entspricht fehlerfreier Ermessensausübung gem. § 201 Ziff. 3 StVollzG, wonach es in vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes errichteten Anstalten, wie der JVA Detmold, zulässig ist, Gefangene abweichend von § 18 StVollzG auch während der Ruhezeit gemeinschaftlich unterzubringen. Auch in der JVA Detmold ist die Bildung von Notgemeinschaften derzeit erforderlich. Durch das Führen einer Warteliste wird sichergestellt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Vergabe von Einzelhafträumen gewahrt bleibt. Den Aspekt, dass sie vor ihrer Verlegung auf dem Hausarbeiterraum in einem Einzelhaftraum untergebracht waren, und der es rechtfertigt, ihnen abweichend von der durch die Warteliste vorgegebenen Reihenfolge erneut einen Einzelhaftraum zuzuweisen, hat der Leiter der JVA Detmold berücksichtigt. Aus der bisherigen Dauer ihrer gemeinschaftlichen Unterbringung läßt sich zutreffend keine besondere Beschwer ableiten."

Gegen diese Entscheidung wandte sich der Betroffene mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 9. Juli 2003, der am 11. Juli 2003 bei dem Landgericht Detmold einging und mit Anwaltsschriftsatz vom 15. August 2003 näher begründet wurde. Zur Begründung des darin gestellten Antrags auf Feststellung, dass seine gemeinsame Unterbringung mit einem Mitgefangenem in dem Haftraum 233 in der Zeit vom 27. bis 28. Mai 2003 und vom 11. Juni bis 10. Juli 2003 rechtswidrig war, führte der Betroffene an, daß die Doppelbelegung dieser Zelle aufgrund ihrer geringen Größe und der ungenügenden Ausstattung einen Verstoß gegen die Menschenwürde der betroffenen Gefangenen darstelle.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer den Feststellungsantrag als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Justizvollzugsanstalt habe von der ihr durch § 201 Ziff....

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