Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsbeschränkung in der Berufungshauptverhandlung. teilweise Berufungsrücknahme. konkludente Zustimmung des Angeklagten. Prüfungsumfang des Revisionsgerichts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Revisionsgericht hat unabhängig von den Rügen des Revisionsführers und ohne Bindung an die rechtliche Beurteilung der Berufungsbeschränkung durch die Strafkammer von Amts wegen zu entscheiden, ob das Berufungsgericht über alle Bestandteile des erstinstanzlichen Urteils selbst entschieden hat. Dabei wird innerhalb der Überprüfung der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung nicht (weiter) danach differenziert, ob es sich um die Prüfung von Verfahrenshindernissen handelt (die auf jeden Fall von Amts wegen geprüft werden), um die Prüfung der Trennbarkeit von Schuld- und Rechtsfolgenausspruch oder um die Prüfung von formalen Voraussetzungen, wie z.B. der gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderlichen Ermächtigung des Verteidigers zu einer Berufungsbeschränkung, wenn diese nach unbeschränkter Einlegung (erst) in der Berufungshauptverhandlung erfolgt und somit als Teilrücknahme anzusehen ist. Auch hinsichtlich des letztgenannten Umstandes, von dem das Revisionsgericht erst durch Nachschau in den Akten und / oder im Hauptverhandlungsprotokoll Kenntnis erlangen kann, wird eine Prüfung von Amts wegen, ohne das Erfordernis der Erhebung einer Verfahrensrüge, bejaht.

2. Erklärt der Verteidiger, der die Berufung zunächst unbeschränkt eingelegt hat, in der Berufungshauptverhandlung die Beschränkung der Berufung auf bestimmte Beschwerdepunkte im Sinne des § 318 S. 1 StPO, liegt hierin eine Teilrücknahme, die gemäß § 302 Abs. 2 StPO der ausdrücklichen Ermächtigung durch den Angeklagten bedarf. Hierbei kann die Ermächtigung auch konkludent erteilt werden. Von einer konkludenten Ermächtigung des Verteidigers durch den Angeklagten in diesem Sinne ist bereits auszugehen, wenn der in der Berufungshauptverhandlung anwesende Angeklagte zu der Erklärung seines Verteidigers schweigt. In dem Schweigen ist eine Billigung der Erklärung des Verteidigers zu sehen.

 

Normenkette

StPO §§ 302, 318

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 28 Ns 43/18)

 

Tenor

  1. Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
  2. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
 

Gründe

Zusatz:

1.

Ein vom Senat von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis liegt nicht vor. Die im Berufungshauptverhandlungstermin erklärte Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam.

Ausweislich der Sitzungsniederschrift stellte sich der Verfahrensgang in der Berufungshauptverhandlung wie folgt dar:

"[...] Der Verteidiger erklärte:

Wir beschränken die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch.

v.u.g.

Die Staatsanwaltschaft stimmte dem zu. [...]"

Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung prüft das Revisionsgericht von Amts wegen (vgl. BGH, NJW 1977, 442 - zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Oktober 2009, 3 Ss 422/09 - zitiert nach beckonline; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018; § 318 Rn. 33 und § 327 Rn. 9; Karlsruher-Kommentar zur Strafprozessordnung/Paul, 7. Auflage 2013, § 318 Rn.11 und § 327 Rn. 11). Unabhängig von den Rügen des Revisionsführers und ohne Bindung an die rechtliche Beurteilung der Berufungsbeschränkung durch die Strafkammer hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu entscheiden, ob das Berufungsgericht über alle Bestandteile des erstinstanzlichen Urteils selbst entschieden hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07. Mai 2001, 2 Ss 134/01 = NStZ-RR 2001, 300 - zitiert nach juris; KK/Paul, a.a.O.; § 318 Rn. 11). Dabei wird innerhalb der Überprüfung der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung nicht (weiter) danach differenziert, ob es sich um die Prüfung von Verfahrenshindernissen handelt (die auf jeden Fall von Amts wegen geprüft werden), um die Prüfung der Trennbarkeit von Schuld- und Rechtsfolgenausspruch oder um die Prüfung von formalen Voraussetzungen, wie z.B. der gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderlichen Ermächtigung des Verteidigers zu einer Berufungsbeschränkung, wenn diese - wie hier - nach unbeschränkter Einlegung (erst) in der Berufungshauptverhandlung erfolgt und somit als Teilrücknahme anzusehen ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13. Oktober 2009, a.a.O.; KK/Paul, a.a.O., § 318 Rn. 3). Auch hinsichtlich des letztgenannten Umstandes, von dem das Revisionsgericht erst durch Nachschau in den Akten und / oder im Hauptverhandlungsprotokoll Kenntnis erlangen kann, wird eine Prüfung von Amts wegen, ohne das Erfordernis der Erhebung einer Verfahrensrüge, bejaht (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; m.w.N.).

Erklärt der Verteidiger, der die Berufung zunächst unbeschränkt eingelegt hat, in der Berufungshauptverhandlung die Beschränkung der Berufung auf bestimmte Beschwerdepunkte im Sinne des § 318 S. 1 StPO - hier auf den Rechtsfolgenausspruch -, liegt hierin eine Teilrü...

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