Leitsatz (amtlich)

Meinungsverschiedenheiten zwischen Verteidiger und Angeklagtem über das grundlegende Verteidigungskonzept können unter Umständen das Vertrauensverhältnis beseitigen und zur Entpflichtung des Pflichtverteidigers führen. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die Beteiligten zur Einigung über das Verteidigungskonzept nicht in der Lage sehen.

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Entscheidung vom 26.08.2005)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Bestellung des Rechtsanwalts Ha aus Witten als Pflichtverteidiger wird aufgehoben.

Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt Hi aus Hagen als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Der bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getretene Angeklagte wurde in erster Instanz durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Witten vom 13. April 2005 wegen gewerbsmäßigen Betruges in 35 Fällen und wegen Betruges in einem weiteren Fall unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 22. April 2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, ferner wegen gewerbsmäßigen Betruges in 22 Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Witten vom 2. Juli 2003 zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie wegen gewerbsmäßigen Betruges in 35 Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Daneben wurde auch die Mutter des Angeklagten, bezüglich derer das Urteil seit dem 21. April 2005 rechtskräftig ist, wegen gewerbsmäßigen Betruges in 60 Fällen und wegen Betruges in zwei weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Ausweislich der Urteilsgründe des erstinstanzlichen Urteils haben beide Angeklagte ein glaubhaftes Geständnis abgelegt, worauf auch im Wesentlichen die Feststellungen gegründet sind. Nach diesen Feststellungen soll der Angeklagte, teilweise zusammen mit seiner Mutter, in zahlreichen Fällen nahezu wertlose und lediglich leicht vergoldete Armreifen, die er in großer Zahl erworben hatte, in einem Wittener Leihhaus als echt goldene Armreifen versetzt und aufgrund Täuschung einer Angestellten erheblich überhöhte Pfandbeträge erhalten haben.

Nachdem dem Angeklagten nach Anklageerhebung insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, meldete sich Rechtsanwalt Ha aus Witten, an den sich der Angeklagte gewandt hatte, und bat um seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 17. März 2005 wurde zugleich mit dem Eröffnungsbeschluss Rechtsanwalt Ha als Pflichtverteidiger des Angeklagten beigeordnet. Dieser hat ihn sodann auch in der Hauptverhandlung am 13. April 2005 verteidigt.

Mit Schriftsatz noch vom 13. April 2005 meldete sich Rechtsanwalt Hi aus Hagen als Wahlverteidiger des Angeklagten und legte Berufung gegen das Urteil vom selben Tage ein. Mit Schriftsatz vom 25. April 2005 reichte er eine Vollmacht des Angeklagten, datierend vom 13. April 2005, nach. Nachdem das Urteil - entsprechend der Anordnung des Vorsitzenden des Schöffengerichts - an den Angeklagten sowie an Rechtsanwalt Hi, nicht aber auch an Rechtsanwalt Ha, zugestellt worden war und Rechtsanwalt Hi Akteneinsicht erhalten hatte, beantragte er mit Schriftsatz vom 28. Juni 2005 namens und im Auftrag des Mandanten seine Beiordnung als Pflichtverteidiger für das Berufungsverfahren und legte für diesen Fall das Wahlmandat nieder.

Der Vorsitzende der zwischenzeitlich mit dem Berufungsverfahren befassten kleinen Strafkammer wies mit Verfügung vom 25. Juli 2005 Rechtsanwalt Hi darauf hin, dass er bislang keine Umstände vorgetragen habe, die einen Austausch des Pflichtverteidigers rechtfertigen könnten. Ferner bat er um Prüfung und Mitteilung, ob die Berufung in Anbetracht des vom Angeklagten in erster Instanz abgelegten Geständnisses auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werde. Eine Abschrift dieses Schreibens übermittelte er Rechtsanwalt Ha zur Kenntnisnahme.

Mit Verfügung vom 11. August 2005 bestimmte der Vorsitzende der Berufungskammer sodann Termin auf den 20. Juni 2006 und bat beide Verteidiger nochmals um Mitteilung, ob die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werde. Nachdem Rechtsanwalt Ha am 18. August 2005 die Terminsladung mit der erneuten Anfrage nach einer eventuellen Berufungsbeschränkung zugestellt worden war, bat er mit Schriftsatz vom selben Tage um Klarstellung. Das letzte Schreiben, das ihn in dieser Sache erreicht habe, sei das an den Rechtsanwalt Hi gerichtete Schreiben vom 25. Juli 2005 gewesen. "So dessen Beiordnung nicht erfolge und er weiterhin als Pflichtverteidiger des Angeklagten tätig sei", dürfe er mitteilen, dass die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werde.

Mit Schriftsatz vom 22. August 2005 teilte Rechtsanwalt Hi daraufhin mit, es werde ausdrücklich darau...

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