Verfahrensgang

AG Münster (Aktenzeichen 73 IN 84/02)

 

Tenor

Der Justizverwaltungsakt vom 20.06 2003 wird aufgehoben.

Der Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, den Antrag der Beteiligten zu 1) vom 29.04.2003 auf Überlassung von Abschriften aus der Verfahrensakte 73 IN 84/02 Amtsgericht Münster unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Der Geschäftswert wird auf 600,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) hat nach ihrem Vorbringen gegen die oben näher bezeichnete Firma I mbH eine Forderung in Höhe von 2.296,80 Euro. Ein von den Geschäftsführern dieser Gesellschaft am 02.08.2002 gestellter Insolvenzantrag gegen die Schuldnerin ist am 29.08.2002 mangels Masse abgewiesen worden.

Mit Schriftsatz vom 29.04.2003 haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) die Übersendung von Kopien des Eröffnungsantrags sowie des Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters beantragt. Am 20.06.2003 hat der Beteiligte zu 2), der die Entscheidung über Akteneinsichtsgesuche nach § 299 Abs. 2 ZPO dem zuständigen Dezernenten der Insolvenzabteilung übertragen hat, was dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, "das Gesuch um Akteneinsicht" zurückgewiesen.

Gegen den zurückweisenden Bescheid wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG vom 26.06.2003, der am selben Tag bei dem Amtsgericht eingegangen ist. Mit ihrem Antrag macht sie zur Begründung ihres Interesses an der Akteneinsicht geltend, ihr müsse ermöglicht werden zu überprüfen, ob das Insolvenzgericht zu Recht die Verfahrenseröffnung abgelehnt habe und ob ihr die Aufbringung eines Massekostenvorschusses möglich sei, um ggf. auf einen eigenen Antrag die Insolvenzeröffnung herbeizuführen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. § 23 EGGVG zulässig; auch die Antragsfrist aus § 26 Abs. 1 EGGVG ist gewahrt.

Die Beteiligte zu 1) hat das Insolvenzverfahren gegen die Firma I mbH nicht beantragt. Sie ist somit Dritte im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 299 Rdn. 6). Über das Gesuch auf Akteneinsicht bzw. Erteilung von Abschriften hat daher zu Recht nach § 299 Abs. 2 ZPO der Vorstand des Gerichts entschieden, der diese Entscheidung dem jeweiligen Dezernenten der Insolvenzabteilung übertragen hat.

Versagt der Vorstand des Gerichts einem Dritten die Gewährung von Einsicht in eine zivilrechtliche Akte oder die Erteilung von Abschriften aus derselben, so trifft er als Justizbehörde eine Maßnahme zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des Zivilprozesses, gegen die der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG statthaft ist. Der Durchführung eines Beschwerdeverfahrens (§ 24 Abs. 2 EGGVG) bedarf es nicht, weil die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht bzw. die Erteilung von Abschriften nicht der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterliegt. Da die Beteiligte zu 1) geltend macht, durch die Versagung von Abschriften in ihren Rechten verletzt zu sein, ist der Antrag auch sonst zulässig ( § 24 Abs. 1 EGGVG ).

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch begründet. Der Bescheid des Beteiligten zu 2) vom 20.06 2003, mit dem dieser das Akteneinsichtsgesuch der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen hat, ist rechtswidrig und verletzt die Beteiligte zu 1) in ihrem Rechten, § 28 Abs. 1 S. 1 EGGVG.

Nach § 299 Abs. 2 ZPO kann einem Dritten ohne Einwilligung der Parteien Akteneinsicht gewährt werden, wenn der Dritte ein rechtliches Interesse glaubhaft macht. Der Antrag der Beteiligten zu 1) vom 29.04.2003 ist seiner Formulierung nach auf die Erteilung von Abschriften des Eröffnungsantrags und des Gutachtens des Insolvenzverwalters gerichtet. In dieser Fassung kann dem Antrag bereits im Ausgangspunkt nicht entsprochen werden. Denn ein Anspruch auf Erteilung von Abschriften besteht auch unter den Voraussetzungen des § 299 Abs. 2 ZPO nicht (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 299, Rdnr. 6). Dieser Gesichtspunkt steht jedoch einer sachgerechten Auslegung des Antrags als eines solchen, der auf die Gewährung von Akteneinsicht gerichtet ist, nicht entgegen. Denn wenn ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht, steht es im freien Ermessen des Gerichtsvorstandes, über die Art und Weise der Gewährung der Akteneinsicht zu entscheiden, die auch in der Form der Übersendung von Abschriften erfolgen kann. Der Sache nach ist der Antrag der Beteiligten zu 1) daher auf eine hinsichtlich der Gewährung der Akteneinsicht dem Grunde nach gebundene, hinsichtlich der Form der Informationserteilung dem Ermessen des Beteiligten zu 2) unterliegende Entscheidung gerichtet. In dieser Weise hat der Beteiligte zu 2) ihn auch verstanden, indem er durch seinen Bescheid vom 20.06.2003 das Gesuch um Einsicht in die Gerichtsakte zurückgewiesen hat.

Mit dieser Maßgabe hat der Antrag der Beteiligten zu 1) auch in der Sache Erfolg, weil sie ein berechtigtes rechtliches Interesse an der begehrten Akteneinsicht dargetan hat. Darunter ist ein...

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