Entscheidungsstichwort (Thema)

Erkundigungspflicht nach Fahrerwechsel. Geschwindigkeitsbeschränkung

 

Leitsatz (amtlich)

Einen bloßen Bei- und Mitfahrer in einem Kraftfahrzeug trifft während der Fahrt grundsätzlich keine Pflicht, hinsichtlich der Beschilderung Aufmerksamkeit walten zu lassen. Eine Erkundigungspflicht nach einem Fahrerwechsel hinsichtlich etwaiger geltender durch Beschilderung gesetzter Geschwindigkeitsbeschränkungen trifft ihn im Regelfall nicht.

 

Normenkette

STVO § 23; StVO § 3 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Olpe (Aktenzeichen 54 OWi 5/14)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird durch Beschluss des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht als Einzelrichter zugelassen und die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit 3 Richtern übertragen.

Das angefochtene Urteil wird mit zugrunde liegenden Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum objektiv ordnungswidrigen Verkehrsgeschehen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Olpe zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Olpe hat den Betroffenen mit Urteil vom 07. Februar 2014 wegen fahrlässiger Nichtbeachtung des Überholverbots zu einer Geldbuße von 87,50 € verurteilt und hierzu festgestellt, dass der Betroffene am ##. September 20## um 19:44 Uhr als Führer eines Pkw die L ### in Höhe der Gaststätte "I b T" in Fahrtrichtung I befahren und ungeachtet eines durch das Zeichen 276 der StVO angeordneten Überholverbotes einen Pkw überholt habe.

Nach den weiteren Feststellungen des Amtsgerichts war das Fahrzeug zunächst von der Ehefrau des Betroffenen bis auf einen wenige hundert Meter vor der Gaststätte "I b T" liegenden Parkplatz geführt worden, nach welchem in Fahrtrichtung des Betroffenen vor dem späteren "Tatort" kein erneutes Überholverbotszeichen aufgestellt war. Auf diesem Parkplatz hatte der Betroffene das Steuer übernommen, um seiner Ehefrau als Beifahrerin Gelegenheit zu geben, das gemeinsame auf dem Rücksitz befindliche Kind zu beruhigen.

Das Amtsgericht hat die Auffassung vertreten, der Betroffene habe sich vor Fahrtantritt bei seiner Ehefrau "nach den geltenden Verkehrsregelungen erkundigen müssen", mit der Folge, dass ihm fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei.

Hiergegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit welchem er mit dem Ziel eines Freispruchs unter anderem die Verletzung materiellen Rechts mit der Begründung rügt, in der gegebenen Konstellation könne ihm als Betroffenen ein Verschulden hinsichtlich des Verstoßes gegen das Überholverbot nicht zur Last gelegt werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, das angefochtene Urteil mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufzuheben und den Betroffenen freizusprechen.

II.

Der Einzelrichter des Senats lässt die Rechtsbeschwerde zu und überträgt die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit 3 Richtern, weil es geboten ist, das angefochtene Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen, §§ 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 80 a Abs. 3 OWiG. Entsprechend den Ausführungen in der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft gibt der vorliegende Einzelfall Veranlassung, die Frage näher zu klären, ob von einem Betroffenen als Autofahrer erwartet werden kann und muss, dass er sich über die geltende Beschilderung in Bereichen, die er anschließend selbst als Kraftfahrzeugführer befahren will, durch Aufmerksamkeit bereits als Mitfahrer bei der vorangegangenen Fahrt oder durch Befragung des bisherigen Fahrzeugführers informiert.

III.

Das Rechtsmittel hat - zumindest vorläufig - Erfolg. Die bisher getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts tragen nicht die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Missachtung des Überholverbotes.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Betroffene in der Zeit, in welcher vor dem Fahrerwechsel seine Ehefrau das Fahrzeug führte, nicht auf den Verkehr und die Verkehrszeichen geachtet.

Zu der Frage, ob dem Betroffenen die bestehende Verkehrsregelung möglicherweise aufgrund anderer Umstände positiv bekannt war oder aber es möglicherweise die Verkehrsgegebenheiten als solche (beispielsweise eine enge Fahrbahn oder ein unübersichtlicher kurvenreicher Fahrbahnverlauf) nahe legten, dass im fraglichen Streckenabschnitt ein Überholverbot angeordnet war, verhält sich das Urteil nicht.

Der Senat entscheidet die hier maßgeblichen Fragen zu der eventuell gebotenen Aufmerksamkeit eines Beifahrers betreffend geltende Verkehrsregeln bzw. das Bestehen einer Erkundigungspflicht bei Vornahme eines Fahrerwechsels dahin, dass in der gegebenen Fallkonstellation entsprechende Pflichten des Betroffenen nicht bestanden haben.

Einen bloßen Bei- oder Mitfahrer in einem Kraftfahrzeug trifft während der Fahrt - wie seitens der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt - grundsätzlich keine Pflicht, hinsichtlich der Verkehrslage und/oder der Örtlichkeiten einschließlich der Beschilderung durch Verkehrszeichen Aufmerksamkeit w...

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