Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung. Vollrausch. Feststellungen bei Fahrlässigkeit. Bedeutung der Rauschtat bei der Strafzumessung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Strafzumessung im Rahmen der Aburteilung einer Tat nach § 323a StGB dürfen die Motive und die Gesinnung des Täters, die zu der im Rausch begangenen Tat geführt haben, bei der Strafzumessung nicht zu seinem Nachteil herangezogen werden, sondern lediglich tatbezogene Merkmale. Die strafschärfende Wertung, die Vollrauschtat sei "sinnlos" und "hässlich" gewesen, verstößt gegen diesen Grundsatz, da sie sich auf die Gesinnung des Täters beziehen.

2. Das Verschulden Täters muss sich bei einer Straftat nach § 323a StGB nicht auf die Rauschtat beziehen.

3. Der Täter einer Straftat nach § 323a StGB handelt fahrlässig, wenn er die Folgen des Rauschmittels hätte erkennen können und müssen. Dazu sind grds. Feststellungen dazu, welche Vorstellung der Angeklagte über die Auswirkungen seines Alkoholkonsums hatte, als er sich betrank, als auch dazu, dass er vorhersehen konnte, dass er in einen alkoholbedingten Rausch geraten würde, erforderlich.

4. Zur Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung.

 

Normenkette

StPO § 318; StGB §§ 323a, 15, 46

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 45 Ns 19/13)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Kamen hat den Angeklagten wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Zum Tatgeschehen hat es folgende Feststellungen getroffen:

"Am späten Abend des 23.06.2012 war der Angeklagte V in Begleitung der Angeklagten G zu Fuß auf dem Weg zu der Wohnung einer Bekannten in Bergkamen, bei der er zu dieser Zeit wohnte. Auf dem Weg dorthin kamen die beiden Angeklagten an einem Rettungstransportwagen vorbei, der am L-Platz im Rahmen eines aktuellen Einsatzes abgeparkt und von der Besatzung verlassen worden war. Dabei waren die Türen des Rettungstransportwagens versehentlich nicht verschlossen worden. Der Angeklagte, der erheblich alkoholisiert war, öffnete nun eine Tür des Rettungstransportwagens, stieg in das Fahrzeug ein und entwendete einen Kindernotfallkoffer, indem er ihn an sich nahm, den Rettungstransportwagen mit dem Koffer verließ und sich sodann in Begleitung der Zeugin G, die sich zuvor am Diebstahl nicht beteiligt hatte, zur Wohnung seiner Bekannten begab. In dem Kindernotfallkoffer befanden sich medizinische Geräte sowie Medikamente wie Paracetamol, Diazepam usw. im Gesamtwert von etwa 300,00 Euro. Nicht auszuschließen ist, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des vorhergegangenen Alkoholkonsums aufgehoben war und er sich im Zustand der Schuldunfähigkeit gem. § 20 StGB befand."

Gegen das Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die er in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht sein Rechtsmittel verworfen. Es hat die Rechtsmittelbeschränkung als wirksam erachtet. In der Strafzumessung heißt es u.a.:

"Außerdem stellt das Entwenden eines Baby-Notfall-Koffers eine ebenso sinnlose wie hässliche und gefährliche Tat dar, die im schlimmsten Fall zu lebensbedrohlichen Situationen hätte führen können, wenn es anschließend zu einem entsprechenden Kindernotfalleinsatz der RTW-Besatzung gekommen und der Verlust des Koffers zuvor nicht aufgefallen wäre."

Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er hält u.a. die Berufungsbeschränkung für unwirksam und meint, die Feststellungen trügen eine Verurteilung wegen Vollrausches nicht. Für den subjektiven Tatbestand des § 323a StGB müsse feststehen, dass es für den Täter vorhersehbar gewesen sei, dass er im Rausch irgendwelche Ausschreitungen strafbarer Art begehen würde.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen. Sie meint, das Landgericht sei zu Unrecht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen. Die Feststellungen des Amtsgerichts enthielten keine ausreichenden Feststellungen zum subjektiven Tatbestand des § 323a StGB. Aus dem angefochtenen Urteil ergebe sich nicht, worauf das Amtsgericht seine Überzeugung stützt, dass der Angeklagte sich fahrlässig in einen Rausch versetzt habe. Es fehlten sowohl Feststellungen dazu, welche Vorstellungen der Angeklagte über die Auswirkungen seines Alkoholkonsums hatte, als er sich betrank, als auch dazu, dass er habe vorhersehen können, dass er in einen alkoholbedingten Rausch geraten würde. Auch erfordere der subjektive Tatbestand, dass es für den Täter vorhersehbar sei, dass er im Rausch irgendwelche Ausschreitungen s...

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