Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung der Unterhaltsverwirkung durch Würdigung der Gesamtumstände nicht im PKH-Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine teilweise oder gänzliche Unterhaltsverwirkung gem. § 1579 BGB kann nur nach einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls bejaht werden. Eine solche Gesamtwürdigung erfordert i.d.R. auch die Feststellung, in welchem Umfang Unterhaltsansprüche überhaupt gegeben sind.

2. Die für die Feststellung einer Unterhaltsverwirkung gebotene Gesamtwürdigung wird im Allgemeinen nicht bereits im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens vorgenommen werden können, sondern ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.

 

Verfahrensgang

AG Bottrop (Beschluss vom 18.08.2003; Aktenzeichen 19a F 245/03)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 26.8.2003 wird der Beschluss des AG – FamG – Bottrop vom 18.8.2003 abgeändert.

Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. in Bochum Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage bewilligt, mit der sie den Antragsgegner auf Trennungsunterhalt und Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe nachfolgender Beträge in Anspruch nehmen will:

  • für die Zeit vom 1.1.–31.3.2003 Elementarunterhalt i.H.v. monatlich 955 Euro;
  • für April 2003 Elementarunterhalt i.H.v. 850 Euro;
  • für die Zeit vom 1.5.–30.6.2003 Elementarunterhalt i.H.v. monatlich 765 Euro;
  • für Juli 2003 Elementarunterhalt i.H.v. 740 Euro;
  • für August 2003 Elementarunterhalt i.H.v. 1.160 Euro und Krankenvorsorgeunterhalt von 107,88 Euro und
  • ab September 2003 Elementarunterhalt i.H.v. 1.230 Euro und Krankenvorsorgeunterhalt von 107,88 Euro.

Die Entscheidung über die Anordnung von Ratenzahlungen wird dem AG vorbehalten.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Aus ihrer am 6.6.1989 geschlossenen Ehe sind die gemeinsamen Kinder J., geboren am 21.10.1989, und Je., geboren am 2.4.1991, hervorgegangen. J. lebte nach der Trennung zunächst bei der Antragstellerin, bevor sie im Mai 2003 in den Haushalt des Antragsgegners wechselte, Je. lebt seit der Trennung durchgängig im Haushalt der Antragstellerin. Diese hat aus einer außerehelichen Beziehung ein weiteres, am 18.5.2001 geborenes Kind. Kindesvater ist Herr Ch.R., der seine Vaterschaft nach Vaterschaftsanfechtung durch den Antragsgegner und nach durch Urteil des AG – FamG – Bottrop vom 4.2.2003 (19a F 359/02) erfolgter Feststellung, dass dieser nicht der Vater des Kindes ist, inzwischen anerkannt hat.

Die Antragstellerin ist gelernte Altenpflegerin, hat ihre Berufstätigkeit aber schon vor der Geburt der gemeinsamen Tochter im Jahr 1989 aufgegeben. Nach der Trennung hat sie ab dem 1.4.2003 vorübergehend in ihrem erlernten Beruf gearbeitet, wurde aber noch während der Probezeit zum 31.7.2003 gekündigt. Seitdem ist sie arbeitslos.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das AG dem Antragsgegner unter Zurückweisung des weiter gehenden Antrags durch einstweilige Anordnung vom 29.7.2003 (19a F 19/03) aufgegeben, an die Antragstellerin – jeweils befristet bis zum 31.12.2003 – ab dem 1.6.2003 Elementarunterhalt i.H.v. monatlich 127 Euro und ab dem 1.8.2003 zusätzlich Krankenvorsorgeunterhalt i.H.v. monatlich 107,88 Euro zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Beschluss vom 29.7.2003 (Bl. 25 ff. GA) Bezug genommen.

Im vorliegenden Verfahren will die Antragstellerin den Antragsgegner mit ihrer beabsichtigten Klage, für deren Erhebung sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt, unter näherer Darlegung ihres Anspruchs auf Trennungselementarunterhalt i.H.v. insgesamt 6.400 Euro für die Zeit von Januar–August 2003 und monatlich 1.500 Euro ab September 2003 sowie daneben ab August 2003 auf Krankenvorsorgeunterhalt i.H.v. monatlich 107,88 Euro in Anspruch nehmen.

Das AG hat den Antrag durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung unter Bezugnahme auf die einstweilige Anordnung vom 29.7.2003 und deren Begründung ausgeführt, im Umfang der hierdurch titulierten Unterhaltsbeträge sei die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig, hinsichtlich der weiter gehenden Unterhaltsansprüche der Antragstellerin habe ihre Klage dagegen wegen einer Verwirkung bestehender Unterhaltsansprüche nach § 1579 Ziff. 6 BGB und anteiliger Mithaftung des nichtehelichen Kindesvaters R. keine Aussicht auf Erfolg.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der das AG nicht abgeholfen hat.

II. Die nach § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist auch in der Sache teilweise begründet. Die beabsichtigte Klage bietet entgegen der Auffassung des AG in Höhe der im Tenor ausgewiesenen – jeweils maßvoll aufgerundeten – Beträge hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint insoweit auch nicht mutwillig, § 114 ZPO.

1. Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner ergibt sich dem Grunde nach aus § 1361 Abs. 1 BGB. Er besteht unabhängig von dem daneben gegebenen Anspruch nach § 1615 l Abs. 2 BGB gegen den ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge