Entscheidungsstichwort (Thema)

Entlassung eines Berufsbetreuers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entlassung eines Berufsbetreuers auf der Grundlage des § 1908b Abs. 1 S. 3 BGB entspricht nur dann dem Zweck der gesetzlichen Vorschrift, wenn eine ehrenamtliche Führung der Betreuung langfristig gesichert erscheint.

2. Anhaltspunkten dafür, dass nur eine kurzfristige Umstellung auf eine ehrenamtliche Betreuung und eine alsbaldige Rückkehr zu einer berufsmäßigen Betreuungsführung beabsichtigt ist, muss das Gericht im Rahmen der Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) nachgehen.

 

Normenkette

BGB § 1908b Abs. 1 S. 3; FGG § 12

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Beschluss vom 09.11.2007; Aktenzeichen 23 T 610/07)

AG Bielefeld (Beschluss vom 29.08.2007; Aktenzeichen 2 XVII N 26)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG vom 29.8.2007 werden aufgehoben, letzterer insoweit, als die Entlassung des Beteiligten zu 3) aus dem Betreueramt angeordnet worden ist.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.

Im Wege der einstweiligen Anordnung wird der Beteiligte zu 3) vorläufig aus dem Amt des Betreuers entlassen.

 

Gründe

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29, 69g Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FGG an sich statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 3) folgt bereits daraus, dass seine erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde begründet, da die Entscheidung des LG auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 FGG. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer zulässigen sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 3) ausgegangen. In sachlicher Hinsicht hält die Entscheidung der rechtlichen Prüfung hingegen nicht in allen Punkten stand.

Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das LG § 1908b Abs. 1 S. 3 BGB als mögliche Grundlage für den hier zu beurteilenden Betreuerwechsel herangezogen hat. Die von dem Beteiligten zu 3) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Er verkennt insbesondere, dass der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum dahingehend genutzt hat, den Grundrechtsschutz des Betroffenen auf der Ebene des Einzelfalls zu sichern, indem auch der Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung dem Wohl des Betreuten untergeordnet ist, auch ein auf § 1908b Abs. 1 S. 3 BGB gestützter Betreuerwechsel also stets die Feststellung der Eignung des neuen Betreuers voraussetzt.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das LG die Eignung des Beteiligten zu 2) bejaht hat. Die von dem Beteiligten zu 3) hierzu in zweiter Instanz erhobenen Beanstandungen hat die Kammer geklärt. Rechtsfehler werden insoweit nicht geltend gemacht, noch sind sie sonst ersichtlich.

Auf einer ungenügenden Sachaufklärung beruht die landgerichtliche Entscheidung allerdings insoweit, als das Vorbringen des Beteiligten zu 3) Anlass bot, der Frage nachzugehen, ob die Bestellung des Beteiligten zu 2) tatsächlich eine nachhaltige Umstellung der Betreuung auf eine ehrenamtliche Führung erwarten lässt. Die rechtliche Relevanz dieser Frage ergibt sich aus Folgendem:

Nach Aktenlage ist es offenkundig, dass das AG die Abberufung des Beteiligten zu 3) wegen mangelnder Eignung (§ 1908b Abs. 1 S. 1 BGB) ins Auge gefasst hatte, und sodann auf den Abberufungsgrund des § 1908b Abs. 1 S. 3 BGB "ausgewichen" ist, offenbar da es sich hiervon einen geringeren Verfahrensaufwand versprach. Dies ist rechtlich nicht unzulässig, da die Abberufungsgründe des § 1908b Abs. 1 BGB in keinem Rangverhältnis zueinander stehen, das dem Gericht eine bestimmte Prüfungsreihenfolge vorgeben würde. Allerdings muss in einem solchen Fall die ehrenamtliche Führung der Betreuung langfristig gesichert erscheinen. Ein Betreuerwechsel mit dem Ziel einer nur kurzfristigen Umstellung auf eine ehrenamtliche Betreuung und alsbaldiger Rückkehr zur berufsmäßigen Betreuungsführung wäre eine auch unter fiskalischen Gesichtspunkten unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Betroffenen, dem mit der Kontinuität der Betreuung in aller Regel am ehesten gedient ist. Hinzu kommt, dass in den Fällen, in welchen eine Ablösung des bisherigen Betreuers wegen Bedenken gegen seine Eignung ins Auge gefasst wird, es eine sachwidrige Umgehung des § 1908b Abs. 1 S. 1 BGB darstellen würde, wenn die Ablösung auf S. 3 der Vorschrift gestützt werden könnte, obwohl absehbar ist, dass dessen Voraussetzungen allenfalls kurzfristig vorliegen.

Nach dem Akteninhalt bestanden konkrete Anhaltspunkte für eine absehbare Rückkehr zur berufsmäßigen Betreuungsführung, denen das LG im Rahmen der Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) hätte nachgehen müssen. Der Beteiligte zu 3) hat in seinem Schreiben vom 6.11.2007 mit dem ausdrücklich Antrag auf ent-sprechende Beweiserhebung behauptet, die Beteiligte zu 4) habe dem Beteiligten zu 2) zugesagt, künftig als Berufsbetreuer tätig werden zu können, wenn er zunächst einige Betreuungen ehrenamtlich übernehme. In dieselbe Richtung deutet das Vo...

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