Leitsatz (amtlich)

1. Auch titulierte Ansprüche auf Kindesunterhalt unterliegen der Verwirkung, wenn sie längere Zeit nicht geltend gemacht werden (Zeitmoment) und der Unterhaltsschuldner davon ausgehen durfte, dass eine Inanspruchnahme nicht mehr erfolgen wird (Umstandsmoment).

2. Für das Umstandsmoment kann es im Einzelfall ausreichen, wenn der Unterhaltsberechtigte einen über einen bestimmten Zeitraum aufgelaufenen Unterhaltsrückstand nicht geltend macht, hingegen Rückstände aus anderen Zeiträumen durchgehend thematisiert.

3. Besteht hinsichtlich der Unterhaltsansprüche Beistandschaft des Jugendamtes, muss sich das unterhaltsberechtigte Kind dessen Verhalten in der Unterhaltsauseinandersetzung zurechnen lassen.

 

Verfahrensgang

AG Essen (Beschluss vom 13.11.2013; Aktenzeichen 108a F 124/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsstellers wird der am 13.11.2013 verkündete Beschluss des AG Essen (AZ: 108a F 124/13) abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus den Urkunden des Jugendamts der Stadt S vom 26.4.1999 (UR-Nr. 198/1999) und vom 13.6.2001 (UR-Nr. 345/2001) wird wegen der in dem Zeitraum von März 2005 bis Juli 2011 angefallenen Unterhaltsbeträge i.H.v. 1.276,12 EUR für unzulässig erklärt.

Darüber hinaus wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Herne vom 8.2.2013 (Geschäfts-Nr. 24 M 121/13) aufgehoben, soweit er die ab Februar 2013 anfallenden Unterhaltsbeträge erfasst. Der Antrag auf seinen Erlass wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist der Vater des am... geborenen Antragsgegners. Die Kindeseltern waren nie miteinander verheiratet und leben voneinander getrennt. Der Antragsgegner lebt bei der Kindesmutter.

Mit Urkunde des Jugendamtes der Stadt S vom 26.4.1999 (UR-Nr.: 198/1999) verpflichtete sich der Antragsteller zur Zahlung von Kindesunterhalt für den Antragsgegner i.H.v. 110,6 % des Regelunterhaltes der jeweiligen Altersstufe abzgl. des hälftigen gesetzlichen Kindergeldes. In Abänderung dieser Urkunde verpflichtete er sich mit Urkunde des Jugendamtes der Stadt S vom 13.6.2001 (UR-Nr.: 345/2001) sodann beginnend mit dem 1.6.2001 zur Zahlung eines Kindesunterhaltes für den Antragsgegner i.H.v. nur noch 107,0 % des Regelunterhaltes der jeweiligen Altersstufe abzgl. des hälftigen gesetzlichen Kindergeldes.

In dem Zeitraum Mai 2005 bis 25.7.2011 bestand hinsichtlich der Unterhaltsansprüche des Antragsgegners gegen den Antragsteller Beistandschaft des Jugendamtes der Stadt Essen. Erstmalig mit Schreiben vom 19.5.2005 forderte das Jugendamt den Antragsteller zur Auskunftserteilung über sein Einkommen auf. Mit Schreiben vom 20.6.2005 forderte das Jugendamt weitere Belege zu seinen Einkommensverhältnissen an. Unter dem 18.7.2005 teilte das Jugendamt dem Antragsteller sodann mit, dass er zwar nach der Jugendamtsurkunde vom 13.6.2001 derzeit zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltes i.H.v. 257 EUR verpflichtet sei, zunächst jedoch Einverständnis damit bestehe, wenn er "pünktlich und regelmäßig 100 EUR" überweise. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die zu den Akten gereichte Abschrift, Blatt 56 der Akten, verwiesen. Im Anschluss erbat das Jugendamt mit Schreiben vom 5.1.2006 eine Kopie der Gehaltsabrechnung des Antragstellers für Dezember 2005. Mit Schreiben vom 18.8.2006 forderte es den Antragsteller auf, rückwirkend ab August 2006 nunmehr wieder den vollen Unterhaltsbetrag von 257 EUR zu zahlen, anderenfalls die Zwangsvollstreckung eingeleitet werde. Nachdem das Jugendamt die von Seiten des Antragstellers begehrte Herabsetzung der monatlichen Zahlungsverpflichtung mit Schreiben vom 15.9.2006 abgelehnt hatte, leitete der Antragsteller mit Schriftsatz vom 31.10.2006 beim AG Essen (AZ: 108a 196/06) ein Verfahren auf Abänderung seiner Unterhaltsverpflichtung aus der Jugendamtsurkunde vom 13.6.2001 mit dem Begehren ein, dass er beginnend mit dem 1.1.2006 nicht mehr zu Unterhaltszahlungen verpflichtet sei. Das Verfahren endete durch den am 13.11.2007 erfolgten Abschluss eines Vergleichs vor dem zuständigen Senat des OLG Hamm, mit dem der Antragsteller sich beginnend mit Dezember 2007 zur Zahlung eines monatlichen Kindesunterhaltes i.H.v. 160 EUR sowie zur Zahlung eines Unterhaltsrückstandes für den Zeitraum von Januar 2006 bis einschließlich November 2007 von insgesamt 1.221 EUR verpflichtete (Az. 2 UF 129/07). Mit Schreiben vom 30.1.2008 forderte das Jugendamt den Antragsteller auf, den nach dem Vergleich ab Dezember 2007 monatlich geschuldeten Unterhalt i.H.v. 160 EUR zu zahlen. Beigefügt war diesem Schreiben eine Berechnung des aufgelaufenen Unterhalts einschließlich eines Rückstandes aus dem Jahr 2005. Mit Schreiben vom 12.12.2008 wies das Jugendamt den Antragsteller noch einmal ausdrücklich auf den bestehenden Unterhaltsrückstand aus der Zeit bis 31.12.2005 hin und bat ihn um Mitteilung, in welchen Raten (auch) dieser Rückstand zurückgezahlt werden könne. Unter dem 19.2.2009 mahnte das Jugendamt erneut die Zahlung dieses Unterhaltrüc...

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