Tenor

Der Antrag des Pflichtverteidigers auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der antragstellende Rechtsanwalt ist dem Verurteilten am 05.09.2017 als weiterer Pflichtverteidiger beigeordnet worden.

Am 03.12.2018 verurteilte das Landgericht Münster den Verurteilten wegen Betruges in 85 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. Nach Rechtsmittelverzicht des Mandanten des Antragstellers wurde das Urteil am 11.12.2018 in Bezug auf diesen rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 27.12.2021, eingegangen beim Landgericht am selben Tag, hat der Antragsteller beantragt, ihm eine Pauschvergütung gemäß § 51 RVG zu bewilligen, deren Höhe er in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Bei dem Oberlandesgericht ging der Antrag am 17.03.2022 ein.

Der Vertreter der Staatskasse hat die Einrede der Verjährung erhoben. Der Antragsteller hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG war zurückzuweisen, da die vom Vertreter der Staatskasse erhobene Verjährungseinrede (§ 214 BGB) durchgreift.

1)

Der Anspruch des Pflichtverteidigers auf Bewilligung einer Pauschgebühr verjährt nach allgemeiner Auffassung in entsprechender Anwendung des § 195 BGB in drei Jahren (Beschlüsse des erkennenden Senats vom 23.01.2020 - III 5 RVGs 71/19 und vom 14.07.2014 - III 5 RVGs 57/14; KG Berlin NStZ-RR 2015, 296; OLG Braunschweig NJW-RR 2019, 761; Gerold/Schmidt-Burhoff, 25. Aufl., 2021, § 51 RVG Rn. 52 m.w.N.). Die Verjährungsfrist beginnt hierbei entsprechend § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB in dem Jahr, in welchem der Vergütungsanspruch fällig geworden ist und damit mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens (OLG Braunschweig NJW-RR 2018, 761; KG Berlin NStZ-RR 2015, 296; Gerold/Schmidt-Burhoff, a.a.O., § 51 RVG Rn. 53). Da das dem Vergütungsanspruch zugrundeliegende Verfahren mit dem Rechtsmittelverzicht am 11.12.2018 rechtskräftig abgeschlossen wurde, endete die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2021.

2)

Die vorbezeichnete Verjährungsfrist ist durch den Pauschgebührenantrag des Antragstellers vom 27.12.2021 nicht rechtzeitig gehemmt worden. Die Verjährungsfrist wird ausschließlich durch den Eingang des Pauschgebührenantrags bei dem zur Entscheidung berufenen Oberlandesgericht gewahrt, während der Eingang des Antrags bei einem unzuständigen Gericht keinen Einfluss auf Lauf der Verjährung hat (OLG Braunschweig NJW-RR 2019, 761; Gerold/Schmidt- Burhoff, a.a.O., § 51 Rn. 54). Vorliegend ging der Antrag erstmals am 17.03.2022 und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist beim Oberlandesgericht Hamm ein.

3)

Die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Vertreter der Staatskasse stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB dar.

a)

Eine unzulässige Rechtsausübung ist nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände vorliegen, die die Einrede als groben Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Beck'scherOK-Henrich: Stand: 01.11.2019, § 214 BGB Rn. 9), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BGH BeckRS 2018, 31360).

b)

Hiervon ausgehend kann vorliegend ein grober Treueverstoß nicht darin erblickt werden, dass das Landgericht Münster den am 27.12.2021 eingegangenen Antrag nicht verjährungsfristwahrend bis zum 31.12.2021 an das Oberlandesgericht weitergeleitet hat. Dabei bedarf es in Anbetracht der zugrundeliegenden Umstände keiner Entscheidung, ob regelmäßig eine Pflicht des unzuständigen Gerichts zur unverzüglichen Weiterleitung an das zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht besteht. Denn jedenfalls war eine rechtzeitige Weiterleitung an das Oberlandesgericht Hamm im normalen Geschäftsgang nicht mehr zu erwarten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15705536

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