Leitsatz (amtlich)

1) Gegen die Weigerung eines Gerichtsvollziehers, eine titelumschreibende vollstreckbare Ausfertigung mit Nachweisurkunde zuzustellen, findet nicht die Erinnerung nach § 766 ZPO, sondern der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG statt.

2) Der Gerichtsvollzieher darf eine solche Zustellung nicht unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken verweigern, wenn die Nachweisurkunde eine Abtretung betrifft, die eine Vielzahl von Einzelforderungen umfasst, die lediglich durch die namentliche Bezeichnung der Schuldner ohne Anschriftenangabe sowie die Geschäftszeichen der jeweiligen Vollstreckungstitel konkretisiert sind.

 

Normenkette

EGGVG § 23; ZPO § 750 Abs. 2

 

Tenor

Der Beteiligte zu 2. wird verpflichtet, den Zustellungsauftrag der Beteiligten zu 1. vom 23.03.2009 auszuführen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1. will aus einem gemäß § 727 ZPO auf sie umgeschriebenen Vollstreckungsbescheid die Zwangsvollstreckung betreiben. Die Titelumschreibung auf die Beteiligte zu 1. als Rechtsnachfolgerin des im Vollstreckungsbescheid genannten Gläubigers erfolgte aufgrund einer Abtretungsvereinbarung vom 29.10.2008, in deren Anlage titulierte Forderungen gegen zahlreiche Schuldner - u.a. auch gegen den Schuldner des vorliegenden Verfahrens - aufgeführt sind. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1. erteilte dem Beteiligten zu 2. über die Verteilungsstelle für Gerichtsvollzieheraufträge mit Schriftsatz vom 23.03.2009 einen Zwangsvollstreckungsauftrag, wobei er zugleich die Zustellung der Rechtsnachfolgeklausel und der Abtretungsvereinbarung beantragte.

Der Beteiligte zu 2. unternahm mehrere Zustellungs- und Vollstreckungsversuche und teilte dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. schließlich mit einem Schreiben vom 02.04.2009 mit, dass der Schuldner unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln sei. Hintergrund war, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1. in dem Vollstreckungsauftrag vom 23.03.2009 ein falsches Geburtsdatum des Schuldners angegeben hatte.

Daraufhin legte die Beteiligte zu 1. beim Amtsgericht Essen Erinnerung ein. In dem Erinnerungsverfahren nahm der Beteiligte zu 2. mit einem Schreiben vom 12.05.2009 Stellung. In diesem an den Präsidenten des Amtsgerichts gerichteten Schreiben teilte er nunmehr mit, dass er eine Zustellung der Abtretungsvereinbarung vom 29.10.2008 (zusammen mit dem umgeschriebenen Titel) iSd. § 750 Abs. 2 ZPO ablehne. Diese Ablehnung begründete er im weiteren Verfahren sinngemäß damit, dass er gegen die Zustellung der Abtretungsvereinbarung wegen der darin enthaltenen Angaben über weitere Schuldner datenschutzrechtliche Bedenken habe. Durch Beschluss vom 18.05.2009 wies das Amtsgericht die Erinnerung der Beteiligten zu 1. mit der Begründung zurück, dass derzeit kein Rechtsschutzinteresse bestehe, weil wegen der noch fehlenden Zustellung des Titels verbunden mit der Vollstreckungsklausel und der Abtretungsvereinbarung die Zwangsvollstreckung zur Zeit nicht durchgeführt werden könne; über die Frage, ob der Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Zustellung anzuweisen sei, habe das Vollstreckungsgericht nicht zu entscheiden; insoweit müsse die Beteiligte zu 1. ggf. einen Antrag nach § 23 Abs. 2 EGGVG stellen, über den das Oberlandesgericht entscheide.

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1. mit Anwaltsschriftsatz vom 27.05.2009 beim Amtsgericht Essen "Rechtsmittel" eingelegt mit dem Antrag, den amtsgerichtlichen Beschluss aufzuheben und dem Beteiligten zu 2. auch die Zustellung von Rechtsnachfolgeklausel und Abtretungsvereinbarung aufzugeben. Nach Vorlage der Sache an das LG Essen hat die Beteiligte zu 1. aufgrund eines entsprechenden Hinweises der Kammer mit Anwaltsschriftsatz vom 24.06.2009 mitgeteilt, dass ihr Rechtsmittel auch als Antrag nach §§ 23, 24 EGGVG ausgelegt werden und die Akte dem Oberlandesgericht Hamm zugeleitet werden solle. Das LG hat die Sache daraufhin dem Oberlandesgericht vorgelegt, wo die Akte am 02.07.2009 eingegangen ist.

II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach §§ 23 ff. EGGVG statthaft. Lehnt der Gerichtsvollzieher eine ihm angetragene Zustellung ab, so handelt er als Justizbehörde iSd. § 23 EGGVG. Der Antrag ist nicht nach § 23 Abs. 3 EGGVG ausgeschlossen, da der speziellere Rechtsbehelf des § 766 ZPO nicht einschlägig ist. Die Zustellung nach § 750 ZPO ist zwar Voraussetzung der Zwangsvollstreckung, gehört aber noch nicht zum Vollstreckungsverfahren selbst. Wird der Gerichtsvollzieher - wie bei Zustellungen - außerhalb der Zwangsvollstreckung tätig, ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (MüKo/Rauscher/Pabst, ZPO, 3. Aufl., § 23 EGGVG, Rz. 45; Baumbach/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 23 EGGVG, Rz. 4; Wieczorek/Schütze/Schreiber, ZPO, 3. Aufl., § 23 EGGVG, Rz. 23; Musielak/Lackmann, ZPO, 7. Aufl., § 766, Rz. 8; a.A. Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl., § 23 EGGVG, Rz. 127). Soweit vertreten wird, dass die Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO gegeben sei, wenn der Gerichtsvollzieher die Zustellung...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge