Leitsatz (amtlich)

Haben die Eltern ihrem Kind eine angemessene Ausbildung finanziert, welche seinen Begabungen und Neigungen entspricht, und findet das Kind in diesem erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle, sind die Eltern auch bei guter wirtschaftlicher Lage grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind eine weitere Berufsausbildung zu gewähren.

 

Normenkette

BAföG § 37 Abs. 1; BGB §§ 1601, 1610 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Dortmund (Aktenzeichen 116 F 5862/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund vom 3. Januar 2018 abgeändert und der Antrag des antragstellenden Landes zurückgewiesen.

Das antragstellende Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert für die Beschwerdeinstanz wird auf 6.380,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegner sind die Eltern der am ........1991 geborenen X. Sie werden vom antragstellenden Land auf Zahlung rückständigen Ausbildungsunterhalts für den Zeitraum von Oktober 2015 bis September 2016 in Anspruch genommen.

Die Tochter der Antragsgegner besuchte ab dem Schuljahr 2001/2002 das L Gymnasium in E. Während ihrer schulischen Ausbildung bewarb sie sich an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Y. Nach bestandener Aufnahmeprüfung an dieser Hochschule wechselte sie im Sommer 2006 zum M Gymnasium in Y, wo sie 10. Schulklasse weiter besuchte. Zeitgleich absolvierte sie nachmittags eine einjährige Vorbereitungszeit an der Akademie des Tanzes. Im Sommer 2007 erwarb sie die mittlere Reife und schloss die Vorbereitungszeit ab. An einem erneuten Auswahlverfahren an der Hochschule nahm sie sodann mit Erfolg teil und begann dort im August 2007 mit dem Studiengang Tanz an der Akademie des Tanzes. Das Studium schloss sie am 04.07.2011 mit dem Diplom für Tanz ab. Das Abschlusszeugnis weist für den praktischen Teil folgende Noten aus:

Improvisation/Choreografie: gut (2,0)

Modern Dance: befriedigend (3,0)

Spanischer Tanz: gut (1,7)

Pas de deux: ausreichend (4,0)

Variationen: ausreichend (4,0)

Klassisches Ballett: ausreichend (4,0)

Sodann kehrte sie zunächst in den elterlichen Haushalt in E zurück und bewarb sich für die Dauer von etwa einem Jahr erfolglos um eine Anstellung als Tänzerin, und zwar auf alle Ausschreibungen europaweit, die ihrem Abschluss entsprachen. In der Zeit war sie arbeitssuchend gemeldet.

Ab dem Schuljahr 2012/2013 nahm sie die Schulausbildung wieder auf. Sie besuchte das K-Kolleg im E, wo sie im Dezember 2014 die allgemeine Hochschulreife erwarb (Abschlussnote 1,0). Zum Wintersemester 2015/2016 begann sie ein Studium der Fachrichtung Psychologie an der Universität in B.

Die Tochter der Antragsgegner erhielt für die Zeit ab Oktober 2015 Leistungen nach dem BAföG. Die Förderungshöchstdauer beträgt sechs Semester und wird regulär mit Ablauf des Sommersemesters 2018 enden. Das antragstellende Land nimmt die Antragsgegner nunmehr auf Zahlung von Unterhalt aus übergegangenem Recht für den Zeitraum von Oktober 2015 bis einschließlich September 2016 in Anspruch. Es fordert vom Antragsgegner zu 1. 3.988,16 EUR und von der Antragsgegnerin zu 2. Insoweit 2.391,84 EUR, jeweils nebst Zinsen. Dabei stehen die Leistungsfähigkeit der Antragsgegner sowie ihre jeweiligen Haftungsanteile außer Streit.

Das antragstellende Land hat die Auffassung vertreten, dass die Antragsgegner in dem in Rede stehenden Zeitraum ihrer Tochter zum Unterhalt nach den §§ 1601 ff., 1610 Abs. 2 BGB verpflichtet seien. Denn es liege ein Ausnahmetatbestand vor, nach dem die Antragsgegner eine weitere Ausbildung - Hochschulstudium - finanzieren müssten. Die Ausbildung zur Bühnentänzerin habe nicht den Neigungen und Fähigkeiten der Tochter entsprochen. Das ergebe sich einerseits aus dem Ergebnis der Abschlussprüfung. Die erreichten Prüfungsnoten - von sechs praktischen Prüfungen drei mit der Note "ausreichend" (4,0) - seien im unteren Bereich gelegen. Nach der Studien- und Prüfungsordnung der Hochschule sei die Prüfung mit mindestens 4,0 Punkten bestanden. Die Tochter habe das Bestehen daher nur knapp erreicht. Zum anderen ergebe sich die fehlende Eignung zur Bühnentänzerin aus den erfolglos gebliebenen Bemühungen der Tochter um eine Anstellung. Bei insgesamt 30 Bewerbungen während eines Jahres sei sie lediglich zu zwei Vortänzen persönlich eingeladen worden. Die Tochter habe keine Möglichkeit gehabt, mit dem Beruf ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Schließlich lasse sich dem Abschlusszeugnis der allgemeinen Hochschulreife mit der Note 1,0 entnehmen, dass die Fähigkeiten der Tochter eher im intellektuell-schulischen und nicht im praktisch-tänzerischen Bereich liegen. Diese Umstände habe die Tochter nicht selbst erkennen können. Bei Aufnahme der Tanzausbildung sei sie erst 15 Jahre alt gewesen sei. Ihr habe altersbedingt die erforderliche Weitsicht gefehlt. Von den Antragsgegnern sei indes sowohl der Abbruch der allgemeinen Schulausbildung als auch die Aufnahme der Tanzausbildung unterstützt worden.

Die Antragsgegner ...

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