Leitsatz (amtlich)

Der Erblasser kann grundsätzlich rechtswirksam verfügen, dass der Testamentsvollstrecker zugleich Ergänzungspfleger für den minderjährigen Erben in Bezug auf das ererbte Vermögen sein soll. Die Bestellung als Ergänzungspfleger scheidet nur dann aus, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die berufene Person als Ergänzungspfleger des Minderjährigen dessen Belange in Bezug auf den Nachlass nicht ordnungsgemäß wahrnehmen wird.

Widerspricht der Minderjährige der Bestellung der vom Erblasser als Ergänzungspfleger berufenen Person, so steht dies deren Bestellung nicht grundsätzlich entgegen. Es entfällt aber die Bindung des Gerichts an die Benennung durch den Erblasser, so dass dem Gericht nach § 1779 Abs. 2 BGB ein Ermessen bei der Auswahl des Ergänzungspflegers eingeräumt ist.

 

Verfahrensgang

AG Soest (Beschluss vom 04.10.2016)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 3. gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Soest vom 04.10.2016 wird zurückgewiesen.

Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Der Wert für die Beschwerdeinstanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Beteiligte zu 3. wendet sich mit seiner Beschwerde dagegen, dass das Familiengericht das beteiligte Jugendamt und nicht ihn zum Ergänzungspfleger für die Beteiligte zu 1. bezüglich ihres von ihrer Mutter ererbten Vermögens bestellt hat.

Am 21.05.2016 verstarb die am ... 1965 geb. Frau L, zuletzt wohnhaft in T1 (Erblasserin). Sie war seit dem 19.07.1996 mit dem am ... 1963 geborenen Kindesvater verheiratet. Aus dieser Ehe sind der Sohn M. L, geb. am ... 1998, und die Beteiligte zu 1. hervorgegangen. Im Januar 2013 hatten sich die Erblasserin und der Kindesvater getrennt. Unter dem 16.12.2015 wurde ihre Ehe rechtskräftig geschieden (Az. AG Soest 17 F 52/14).

Am 07.09.2015 hatte die Erblasserin vor dem Notar Dr. T in I ein notarielles Testament errichtet, in dem sie u.a. folgende letztwilligen Verfügungen getroffen hatte (Ur.-Nr. ... der Urkundenrolle für ... des Notars Dr. T):

"§ 1

Vorbemerkungen, Rechtswahl

...

Mit dem nachstehenden Testament will ich erreichen, dass mein Nachlass ausschließlich meinen vorgenannten Kindern bzw. deren Abkömmlingen zufließt und mein in Kürze von mir geschiedener Ehemann in keiner Weise auf diesen Nachlass einwirken kann, insbesondere auch dann nicht, wenn meine Kinder im Zeitpunkt meines Todes noch minderjährig sein sollten. Meinem demnächst von mir geschiedenen Ehemann soll von meinem Nachlass auch dann nichts zufließen, wenn eines oder beide meiner vorgenannten Kinder verstorben sind...

§ 3

Erbfolge

1.) Ich bestimme hiermit zu meinen Erben zu gleichen Teilen meine Kinder

M. L,...

B. L.

Sie sind Vorerben. Ersatzvorerben sind ihre Abkömmlinge nach gesetzlicher Erbfolge. Die Vorerben sind von allen Beschränkungen gem. § 2136 BGB befreit. Die Nacherbfolge tritt ein mit dem Tod des jeweiligen Vorerben.

2.) Nacherben sind die gewillkürten, ersatzweise die gesetzlichen Erben des jeweiligen Vorerben entsprechend ihren Erbteilen. Mein demnächst von mir geschiedener Ehegatte, seine einseitigen Abkömmlinge - also nicht meine beiden vorgenannten Kinder - und seine Verwandten aufsteigender Linie sind von der Nacherbfolge ausgeschlossen. Das Nacherbenrecht ist nicht vererblich und nicht übertragbar.

3.) Hat eines meiner Kinder keine Abkömmlinge, sodass diese nicht als Ersatzvorerben zur Verfügung stehen können, wächst dieser Erbanteil dem jeweils anderen Kind zu.

Äußerst ersatzweise sowohl für die Vorerbschaft als auch für die Nacherbschaft bestimme ich meinen Bruder C, geb. am ... 1964,...

§ 4

Pflegschaft, Vormund, Testamentsvollstreckung

1.) Die Sorge über das Vermögen meiner... Kinder M. und B. L erstreckt sich nicht auf das Vermögen, was meine Kinder von Todes wegen, insbesondere nach meinem Tod erworben haben. Zum Ergänzungspfleger für dieses Vermögen, das sie von Todes wegen nach meinem Tod - als dann möglicherweise noch Minderjährige - erworben haben, bestimme ich meinen Bruder C.

2.) Als Vormund für meine Kinder benenne ich gem. den §§ 1773 ff. BGB meinen vorgenannten Bruder C., sofern nicht dem Vater der Vorerben das Sorgerecht zusteht.

3.) Ich ordne Dauertestamentsvollstreckung an bis zu dem Zeitpunkt, in dem das jüngere meiner beiden Kinder das 27. Lebensjahr vollendet hat...

Zum Testamentsvollstrecker ernenne ich meinen Bruder C."

Unter dem 18.07.2016 wurde dieses Testament eröffnet.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 04.10.2016 hat das AG - Familiengericht - Soest - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten im schriftlichen Verfahren - für die Beteiligte zu 1. eine Ergänzungspflegschaft angeordnet mit dem Aufgabenkreis "Wahrnehmung der Rechte des Kindes B. L gegenüber dem Testamentsvollstrecker, Herrn C. Zum Ergänzungspfleger hat das Familiengericht das beteiligte Jugendamt bestellt. Zur Begründung hat das Familiengericht unter Hinweis auf den Beschluss des OLG Schleswig-Holstein vom 23.03.2007, Az. 8 WF ...

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