Leitsatz (amtlich)

1. Die betriebliche Altersversorgung des geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters einer GmbH fällt nicht unter das Betriebsrentengesetz und ist daher nicht gem. § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG unabhängig von der Leistungsform auszugleichen.

2. Wird eine solche Altersversorgung durch Ausübung einer Kapitalwahlmöglichkeit dem Versorgungsausgleich entzogen und fällt sie infolge ehevertraglicher Gütertrennung auch nicht in einen Zugewinnausgleich, so liegt hierin eine illoyale Einwirkung auf das Versorgungsvermögen, wenn keine billigenswerten Motive für die Kapitalwahl gegeben sind.

Infolgedessen ist in demselben wertmäßigen Umfang die Einbeziehung von Versorgungsanwartschaften des anderen Ehegatten in den Versorgungsausgleich grob unbillig gem. § 27 VersAusglG, ohne dass weitere Umstände wie insbesondere ein wirtschaftliches Ungleichgewicht hinzutreten müssen.

 

Normenkette

VersAugsglG § 2 Abs. 2 Nr. 3, § 27; BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 1, § 17 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Lemgo (Beschluss vom 18.06.2013; Aktenzeichen 9 F 242/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - der Beschluss des AG - Familiengerichts - Lemgo vom 18.6.2013 teilweise abgeändert.

Die Formel des angefochtenen Beschlusses zu 2 wird wie folgt neu gefasst:

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers.-Nr... S...) zugunsten des Antragsgegners auf dessen Konto bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (Vers.-Nr... W...) ein Anrecht von 0,2459 Entgeltpunkten, bezogen auf den 31.5.2012, übertragen.

Eine weiter gehende Übertragung dieses Anrechts unterbleibt gem. § 27 des Versorgungsausgleichsgesetzes.

Im Übrigen verbleibt es bei dem angefochtenen Beschluss.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach einem Verfahrenswert von 3.510 EUR gegeneinander aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin des vorliegenden Scheidungsverfahrens, eine 49-jährige Arzthelferin, und der Antragsgegner, ein 47-jähriger Unternehmer, heirateten im Mai 2000 und trennten sich im August 2011.

Durch notariellen Ehevertag vom 5.9.2005 hatten sie den Zugewinnausgleich ausgeschlossen.

Der Antragsgegner verfügte u.a. über eine betriebliche Versorgungsanwartschaft bei dem weiteren Beteiligten zu 3 mit einem ehezeitlichen Ausgleichs-Kapitalwert von 21.743,95 EUR, welche ursprünglich auf eine Rente gerichtet war, jedoch die Umwandlung in eine Kapitalauszahlung ermöglichte. Von dieser Umwandlungsmöglichkeit machte der Antragsgegner während des erstinstanzlichen Verfahrens Gebrauch.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es die wechselseitigen Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen und zwei weitere privatrechtliche Anrechte wegen Geringfügigkeit nicht ausgeglichen. Die betriebliche Versorgungsanwartschaft des Antragsgegners hat es ebenfalls nicht ausgeglichen, weil sie nach Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht mehr in den Versorgungsausgleich falle. Die Berufung des Antragsgegners hierauf sei nach bestehender Rechtsprechung nicht treuwidrig, obwohl eine Berücksichtigung im Zugewinn nicht möglich sei.

Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie beruft sich in erster Linie darauf, dass das fragliche Anrecht gem. § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG unabhängig von der Kapitalwahl auszugleichen sei, weil es dem Betriebsrentengesetz unterfalle. Der Antragsgegner sei nicht mit dem Inhaber eines Einzelunternehmens vergleichbar und deswegen Arbeitnehmer. Ferner seien Treu und Glauben zu berücksichtigen. Dem Antragsgegner sei zu unterstellen, dass er von vornherein beabsichtigt habe, den ehevertraglichen Ausschluss des Zugewinnausgleichs in Verbindung mit der Kapitalwahlmöglichkeit dazu auszunutzen, ihr eine Teilhabe an der fraglichen Anwartschaft zu entziehen. Das habe sie beim Abschluss des Ehevertrages nicht erkennen können. Die Kapitalwahl stelle eine illoyale Einwirkung auf das Versorgungsvermögen dar.

Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss abzuändern und

1. den Versorgungsausgleich auch hinsichtlich des Anrechts des Antragsgegners bei dem weiteren Beteiligten zu 3 durchzuführen,

2. hilfsweise, den Versorgungsausgleich insgesamt gem. § 27 VersAusglG auszuschließen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den Beschluss. Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsrentengesetzes sei er als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH nicht. Sein Verhalten sei auch nicht treuwidrig. Die Antragstellerin habe dem Ehevertrag nach anwaltlicher Beratung zugestimmt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Verhandlungsprotokoll des AG Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache mit dem Hilfsantrag überwiegend Erfolg.

1. Der Hauptantrag, auch das Anrecht des Ant...

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