Leitsatz (amtlich)

Zu einer Ausschlussklausel für Kosten infolge von - näher beschriebenen - "Vorerkrankungen" in einer Reiserücktrittsversicherung: Wirksamkeit der Klausel offengelassen; Ausschluss im Streitfall verneint für vorbestehende Prostatavergrößerung.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 115 O 72/22)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11.11.2022 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Berufungsstreitwert: 30.000 EUR

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Reiserücktrittsversicherung.

Der Kläger ist über einen Kreditkartenvertrag (H. A. Card) im Rahmen eines zwischen der Beklagten als Versicherer und der H. M. Ltd. als Versicherungsnehmerin geschlossenen Gruppenversicherungsvertrages versichert.

Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Gruppenversicherung für H. A. Mitglieder bzgl. Reiserücktritt, Verschiebung und Nichtantritt der Reise (vor Reiseantritt) (im Folgenden: AVB, eGA-I 14 ff. [eGA-I für die elektronische Gerichtsakte erster Instanz und eGA-II für die elektronische Gerichtsakte zweiter Instanz]) zugrunde.

Unter Ziff. II. B) 1, 1.1, 1.2, 1.2.1 AVB ist ausgeführt:

1 Leistungen für Sie

1.1 Diese Leistungen betreffen folgende Kosten:

bei Reiseunterbrechung und Reiseabbruch Ihre angemessenen notwendigen Heimreisekosten sowie

bei Reiseunterbrechung Kosten für die Wiederaufnahme Ihrer ursprünglich geplanten Reise oder

bei Reiseabbruch für bezahlte oder vorgebuchte und nicht rückerstattbare Kosten Ihrer ungenutzten Reise, Unterbringung, Exkursionen und Freizeitaktivitäten (es werden die nicht in Anspruch genommenen zu den Gesamt-Reisetagen ins Verhältnis gesetzt).

1.2 Sie erhalten insgesamt bis zu EUR 15.000, wenn Sie Ihre Reise ab- oder unterbrechen, weil:

1.2.1 Sie oder eine der mit Ihnen reisenden Personen oder eine Person, die Sie als Hauptziel Ihrer Reise besuchen, von Ihrer Reise einen Unfall hat, erkrankt oder stirbt.

Der Begriff "Reise" ist auf S.13 der AVB (eGA-I 149) nach den "Allgemeine(n) Definitionen für die Versicherungsleistungen Unterwegs" u.a. wie folgt erläutert:

eine Reise außerhalb Ihres Heimatlandes, die in Ihrem Heimatland beginnt und endet (...)

Unter Ziff. II. B) 2 AVB ist u.a. Folgendes ausgeführt:

2 Ausschlüsse

Neben den allgemeinen Ausschlüssen für alle Reise-Versicherungsleistungen (siehe "Allgemeine Ausschlüsse für die Versicherungsleistungen unterwegs, Seite 12-13) gelten folgende besondere Ausschlüsse für die Verkürzung Ihrer Reise:

2.1 Stornierungskosten, die direkt oder indirekt aus Umständen entstehen, die Ihnen vor der Buchung Ihrer Reise oder als Sie Ihre A. Card und sonstige Karten auf Ihr Kartenkonto beantragten, bekannt waren.

2.2 Kosten infolge von Vorerkrankungen.

Der Begriff "Vorerkrankungen" ist unter dem Punkt "Allgemeine Definitionen für die Versicherungsleistungen Unterwegs" wie folgt definiert (im Folgenden auch: Vorerkrankungsklausel):

Vorerkrankung bedeutet:

ein bereits vorher bekannter medizinischer Zustand, der Ihnen bekannt war, als Sie Ihre A. Card und andere Karten auf Ihr Kartenkonto beantragten bzw. vor Buchung Ihrer Reise, je nachdem was am kürzesten zurückliegt, und weswegen Sie:

  • Während der letzten 12 Monate einen Krankenhausaufenthalt hatten,
  • Testergebnisse erwarten oder auf der Warteliste für eine Operation, Konsultation oder Untersuchung stehen,
  • Innerhalb der letzten 3 Monate begonnen haben, Medikamente einzunehmen, oder die Einnahme geändert oder sich in Behandlung begeben haben,
  • alle 12 Monate oder häufiger eine medizinische, chirurgische oder psychiatrische Untersuchung benötigen,
  • die Prognose "unheilbar" und/oder "chronisch" erhalten haben.

Unter Ziff. IV. 1 und 2 AVB heißt es (auszugsweise):

1 Obliegenheiten - was ist nach einem Versicherungsfall zu tun?

[...]

1.2 Grundsätzlich besteht die Verpflichtung:

1.2.1 Nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen.

[...]

2 Folgen der Nichtbeachtung von Obliegenheiten

Wird eine nach Eintritt eines Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheit vorsätzlich verletzt, verlieren Sie den Versicherungsschutz.

Bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistungen in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Beides gilt nur, wenn der Versicherer Sie durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolgen hingewiesen hat.

Weisen Sie nach, dass Sie die Obliegenheit nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.

Nach der tabellarischen Übersicht auf Seite 6-7 der AVB (Bl. 19 f. eGA-II) beträgt die Versicherungssumme im F...

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