Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzelfallabwägung bei Aufenthaltsbestimmungsübertragung; Wille des Kindes. Elterliche Sorge: Einzelfallabwägung bei Aufenthaltsbestimmungsübertragung. Wille des Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sind Kindeseltern nicht in der Lage, zum Wohl ihres Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht gemeinsam auszuüben, ist die Aufhebung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts erforderlich.

2. Ist die Erziehungsfähigkeit beider Eltern erheblich eingeschränkt durch fehlende Bindungstoleranz beim Vater und fehlende Fähigkeit zur Kommunikation mit dem Kind bei der Mutter, kommt dem geäußerten Willen des Kindes eine besondere Bedeutung zu.

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Witten (Beschluss vom 22.01.2009; Aktenzeichen 5 F 114/08)

 

Tenor

Auf die befristete Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Witten vom 22.1.2009 abgeändert.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das betroffene Kind B M (geb. am ...) wird auf den Kindesvater allein übertragen.

Im Übrigen - hinsichtlich der Regelung der Umgangskontakte des Kindes mit dem nicht betreuenden Elternteil - wird die gemeinsame elterliche Sorge wiederhergestellt.

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die gemeinsame Tochter B M wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner zu je ½. Im Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die seit Januar 2007 rechtskräftig geschiedenen Kindeseltern streiten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsame, heute 13 Jahre alte Tochter B. B besucht die Hauptschule. Sie leidet an Diskalkulie und war deswegen in der Zeit von Januar 2007 bis einschließlich Juni 2008 in therapeutischer Behandlung.

Die am 24.9.1968 geborene Antragsgegnerin (Kindesmutter) lebt seit März 2008 mit einem neuen Lebenspartner zusammen. Sie ist im Geringverdienerbereich erwerbstätig. Der Antragsteller (Kindesvater), von Beruf Oberbrandmeister, lebt seit der Trennung der Parteien im April 2004 mit seiner Lebenspartnerin zusammen. Beide betreuen ein gemeinsames, heute 4 Jahre altes Kind M2 (geb. am ...).

Die gemeinsamen Kinder B und ihr heute 14 Jahre alter Bruder Q (geb. am ...) sind nach der Trennung der Kindeseltern zunächst im Haushalt der Antragsgegnerin verblieben. Regelmäßige Umgangskontakte des Antragstellers mit den Kindern haben alle 14 Tage stattgefunden. Aufgrund einer Umgangsvereinbarung im Sorgerechtsstreit der Kindeseltern vor dem AG - Familiengericht - Witten vom 5.9.2006 (Az. 5 F 311/04) hatte der Vater das Recht, mit beiden Kindern vierzehntägig in der Zeit von Freitagnachmittag bis Sonntagabend, an einem Tag in der Woche, jeweils mit Übernachtung, sowie die Hälfte der Schulferien zusammen zu sein. Im Sommer 2007 brach der Umgang zwischen Q und dem Antragsteller vorübergehend ab. Aufgrund einer erneuten Vereinbarung der Kindeseltern im Verfahren 5 F 231/07 vor dem AG - Familiengericht - Witten vom 6.11.2007 zum Wiederaufbau der Umgangskontakte werden seit Sommer 2008 Kontakte zwischen Q und dem Vater in eingeschränktem Umfang eigenverantwortlich vereinbart und wahrgenommen.

Am 29.2.2008 ist B in den Haushalt des Antragstellers gewechselt, nachdem sie seiner Lebenspartnerin gegenüber von sexuellen Übergriffen ihres Bruder berichtet hatte. Umgangskontakte zwischen B und der Antragsgegnerin haben seit dem Wechsel des Kindes in den Haushalt des Kindesvaters bis Dezember 2008 nicht und danach erst wieder ab März 2009 stattgefunden. Der Wechsel Bs in den Haushalt des Antragstellers war Anlass für das Stellen der wechselseitigen Anträge der Kindeseltern auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Durch einstweilige Anordnung des Familiengerichts vom 24.4.2008 ist dem Antragsteller das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für B vorläufig übertragen worden.

In der Hauptsache hat der Antragsteller erstinstanzlich beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für B allein zu übertragen.

Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich beantragt, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für B allein zu übertragen.

Das Familiengericht hat beide Kinder und die Eltern persönlich angehört. Es hat zur Frage der Regelung der elterlichen Sorge ein Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Psych. I Y eingeholt. Darin ist die Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass sexuell motivierte Übergriffe des Bruders gegen seine Schwester nicht angenommen werden könnten und es sich bei dem von B beschriebenen Verhalten ihres Bruders um pubertär anmutende Versuche Qs, seine Schwester zu ärgern, gehandelt habe. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung der Beteiligten wird auf den Inhalt der Sitzungsprotokolle vom 17.4.2008 und vom 21. und 22.1.2009 nebst Anlagen Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Begutachtung im ...

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