Leitsatz (amtlich)

1. Wechselt während des Kindesunterhaltsverfahrens die elterliche Obhut über das minderjährige Kind, so ist im Fall gemeinsamer elterlicher Sorge eine Vertretung durch den bisherigen Inhaber der Obhut nicht mehr zulässig.

2. Der bisherige Inhaber der elterlichen Obhut kann auch nach dem Entfall seiner Vertretungsbefugnis noch eine Erledigungserklärung abgeben. Hingegen ist ein Beteiligtenwechsel jedenfalls in der Beschwerdeinstanz nicht mehr zulässig.

 

Normenkette

BGB § 1629 Abs. 2 S. 2; ZPO §§ 263, 269

 

Verfahrensgang

AG Paderborn (Beschluss vom 24.02.2015; Aktenzeichen 85 F 10/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 24.3.2015 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Paderborn vom 24.2.2015 (Aktenzeichen 85 F 10/13) abgeändert.

Es wird festgestellt, dass sich das Verfahren für den Zeitraum ab September 2015 erledigt hat.

Der weiter gehende Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens 1. und 2. Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.315,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist die Tochter der Antragsgegnerin. Sie hatte zunächst ab Oktober 2012 im Haushalt ihres Vaters gelebt. Die elterliche Sorge wird vom Kindesvater und der Antragsgegnerin gemeinsam ausgeübt.

In diesem vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin, vertreten durch ihren Vater, Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des hälftigen Kindergeldes für den Zeitraum ab November 2012 begehrt.

Die Antragsgegnerin hat sich auf eine fehlende Leistungsfähigkeit berufen. Sie hat behauptet, sie könne aus gesundheitlichen Gründen allenfalls 6 Stunden täglich arbeiten.

Durch Beschluss vom 24.2.2015 hatte das AG - Familiengericht - Paderborn die Antragsgegnerin verpflichtet, für die Zeit von November 2012 bis einschließlich Februar 2015 einen Unterhaltsrückstand von 7.808,00 EUR sowie ab März 2015 einen laufenden Unterhalt in Höhe von monatlich 201,00 EUR zu zahlen. Den weiter gehenden Antrag hat das AG zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Sie beruft sich weiter auf eine fehlende Leistungsfähigkeit.

Seit dem 18.9.2015 wohnt die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin.

Mit Schriftsatz vom 19.10.2015 hat der Kindesvater erklärt, dass er für die bisherige Antragstellerin in das Verfahren eintrete. Es beruft sich darauf, dass ihm für den Zeitraum von November 2012 bis August 2015 ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen die Antragsgegnerin zustehe. Er habe in dieser Zeit den Unterhalt für die Antragstellerin allein sichergestellt. Gemäß den Berechnungen des AG bestehe bis einschließlich August 2015 ein Unterhaltsrückstand in Höhe von 9.014,00 EUR. Er vertritt die Auffassung, dass die Antragsänderung sachdienlich sei, da für den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch inhaltlich die gleichen Voraussetzungen vorliegen müssen, wie für den Unterhaltsanspruch. Hinsichtlich des laufenden Unterhalts sei das Verfahren erledigt, da durch den Obhutswechsel der gemeinsamen Tochter der geltend gemachte Anspruch unzulässig geworden sei.

Der Kindesvater beantragt nunmehr, an ihn 9.014,00 EUR zu zahlen.

Hinsichtlich des laufenden Kindesunterhalts ab September 2015 wird das Verfahren für erledigt erklärt.

Die Antragsgegnerin beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass mit dem Obhutswechsel eine Vertretungsbefugnis des Kindesvaters entfallen und der Antrag insgesamt unzulässig geworden sei. Einem Beteiligtenwechsel werde nicht zugestimmt.

II. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Aufgrund des Obhutswechsels der Antragstellerin ist eine Vertretungsbefugnis des Kindesvaters entfallen und der Antrag auf Zahlung von Kindesunterhalt unzulässig geworden. Auch der erklärte Wechsel des Beteiligten auf Seiten der Antragsteller ist nicht zulässig. Für den Zeitraum ab September 2015 ist eine Erledigung eingetreten.

1. Der Antrag der Antragstellerin auf Zahlung von Kindesunterhalt ist unzulässig, weil eine Vertretungsbefugnis durch den Kindesvater nicht mehr besteht. Grundsätzlich kann nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB in den Fällen der gemeinsamen Sorge ein Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil geltend machen. Der Begriff der Obhut stellt auf die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse ab. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der sich also vorrangig um die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes kümmert. Leben die Eltern in verschiedenen Wohnungen und regeln sie den gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes in der Weise, dass es vorwiegend in der Wohnung eines Elternteils - unterbrochen durch regelmäßige Besuche in der Wohnung des anderen Elternteils - lebt, so ist die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB deshalb dem er...

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