Leitsatz (amtlich)

Auch bei einer Reststrafenaussetzung zur Bewährung kann zur Genugtuung für begangenes Unrecht die Zahlung eines Geldbetrages auferlegt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Genugtuungsinteresse aufgrund der bedingten Entlassung und wegen des Verbleibs bei dem Verurteilten sonst nicht hinreichend genügt würde.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen StVK R 3378/07 (24a))

 

Tenor

  • 1.

    Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

  • 2.

    Die bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft nach Verbüßung von Zweidritteln der mit Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 21.06.2005 (9 KLs 6 Js 191/01 - R 1/4 IX) verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wird angeordnet.

  • 3.

    Der noch nicht verbüßte Strafrest der durch das oben genannte Urteil verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wird gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt.

    Die Bewährungszeit wird auf 3 Jahre festgesetzt.

    Der Verurteilte wird der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshelfers unterstellt.

    Dem Verurteilten wird auferlegt, einen Geldbetrag von 40.000,- Euro zugunsten der Staatskasse zu zahlen nach folgender Maßgabe:

    • a)

      Einen Betrag von 5000,- Euro bis zum 15.01.2008.

    • b)

      Sodann jeweils einen Betrag von 1000,- in 35 monatlichen Raten jeweils zum ersten eines jeden Kalendermonats, beginnend mit dem 01.02.2008.

    Er hat jeden Wechsel seines Wohnsitzes dem für die Bewährungsaufsicht zuständigen Gericht unverzüglich anzuzeigen.

  • 4.

    Die Belehrung über die Bedeutung der Strafaussetzung zur Bewährung sowie über einen möglichen Widerruf (auch bei Verstoß gegen Auflagen und Weisungen) wird dem Leiter der Vollzugsanstalt übertragen.

  • 5.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die in diesem Verfahren dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Das Landgericht Bielefeld hat den Verurteilten mit Urteil vom 21.06.2005 wegen Untreue in drei Fällen, wegen Betruges, wegen Anstiftung zum Betrug und wegen Beihilfe zur wettbewerbsbeschränkenden Absprache bei einer Ausschreibung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Die höchsten Einzelstrafen lagen bei 1 Jahr und 10 Monaten. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass sich der Verurteilte für die Beschaffung von Planungsaufträgen für diverse Bauvorhaben eine Provision versprechen ließ. Diese Provision sollte durch die Stellung betrügerisch überhöhter Rechnungen durch einige am Bau beteiligte Handwerker "finanziert" werden. Durch die Taten wurde ein Gesamtschaden von insgesamt rund 373.000,- DM verursacht, der Verurteilte vereinnahmte aus ihnen insgesamt 346.550 DM. Da die Geschädigten bereits Schadensersatz bei den beteiligten Handwerkern erlangen konnten, traten sie nicht an den Verurteilten heran. Von der Anordnung des Verfalls sah das Tatgericht im Hinblick auf das Verbot der reformatio in peius ab, da in einem vorangenen landgerichtlichen Urteil, welches vom Bundesgerichtshof auf die Revision des Verurteilten teilweise aufgehoben worden war, ein solcher ebenfalls nicht angeordnet worden war. Einen vorübergehend arrestierten Betrag von rund 92.000,- Euro erhielt der Verurteilte im September 2003 auf ein Konto seiner Ehefrau zurückbezahlt.

In dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Ansicht vertreten, dass eine Erprobung des Verurteilten in Freiheit nicht verantwortet werden könne. "Aufschlussreich" sei das Verhalten des Verurteilten in finanzieller Hinsicht, denn ihm sei die gesamte Beute verblieben. Die vom Verurteilten im Rahmen der Anhörung angebotene Zahlung von insgesamt 15.000 Euro sei gemessen an den nachgewiesenen Einkünften als ehemaliger Bundestagsabgeordneter nur Ausdruck einer unzureichenden Würdigung des von ihm angerichteten "immateriellen" Schadens und könne "von der Allgemeinheit eher als Hohn betrachtet werden".

Zweidrittel der verhängten Strafe wird der Verurteilte am 26.12.2007 verbüßt haben, das Strafende ist auf den 26.10.2008 notiert.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat beantragt, die sofortige Beschwerde des Verurteilten als unbegründet zu verwerfen.

II.

Das Rechtsmittel des Verurteilten ist zulässig und begründet.

1.

a)

Die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB liegen hier vor. Insbesondere kann diese unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden. Hierbei bedarf es einer Abwägung zwischen dem Resozialisierungsinteresse des Verurteilten und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit, bei der auch das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts für die Bestimmung des Maßes der noch hinnehmbaren Rückfallgefahr eine Rolle spielt (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 17.03.1998 - 3 Ws 111/98). Eine Gewissheit zukünftiger Straffreiheit ist nicht erforderlich, ein vertretbares Restrisiko kann verbleiben (OLG Hamm NJW 2000, 2453, 2454), die zukünftiger Straffreiheit muss lediglich wahrscheinlich sein (OLG Koblenz NJW 2000, 734, 735).

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