Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfügbares Einkommen; Beiordnung zu den "Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts"

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 2 S. 1, § 115 Abs. 1 Nr. 4, § 121 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Paderborn (Beschluss vom 21.04.2006; Aktenzeichen 8 F 1310/05)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 27.4.2006 wird der Beschluss des AG Paderborn vom 21.4.2006 abgeändert. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Ratenzahlung entfällt. Ebenso entfällt hinsichtlich der Beiordnung von Rechtsanwalt Nickel die Einschränkung "zu den Bedingungen eines bei dem AG Paderborn zugelassenen Anwalts".

Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

I. Verpflichtung zur Ratenzahlung

1. Zu Unrecht hat das AG die Raten, welche die Beklagte für ihren Pkw bezahlen muss, bei der Feststellung des anzusetzenden Einkommens unberücksichtigt gelassen. Die Berücksichtigungsfähigkeit richtet sich nach § 115 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Tilgungsraten auf ein Darlehen dürfen abgezogen werden, wenn es, wie hier, vor Prozessbeginn aufgenommen worden ist (OLG Köln v. 8.2.1994 - 25 WF 10/94, OLGReport Köln 1994, 220 = MDR 1995, 314). Wer auf die Benutzung eines Pkw nicht angewiesen ist, kann die Finanzierungskosten hierfür nicht abziehen, wenn diese in einem Missverhältnis zu seinem Einkommen stehen und es ihm zuzumuten ist, das Auto zu verkaufen und aus dem Erlös das Darlehen zurückzuzahlen, das er zum Ankauf des Autos aufgenommen hat (OLG Hamburg FamRZ 1996, 42).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte auf die berufliche Nutzung ihres Pkw nicht angewiesen ist. Die Beklagte hat die einfache Entfernung zwischen ihrem Wohnort in Wetter und der Arbeitsstelle in Hagen in der Anlage zu ihrem Prozesskostenhilfegesuch mit 8 km angegeben. Eine Berechnung durch einen Routenplaner (Falk) ergibt eine einfache Entfernung von 6,1 km. Bei dieser Entfernung ist die berufliche Nutzung eines bereits vorhandenen Pkw für Fahrten zur Arbeitsstelle zumindest für die Bedürftigkeitsprüfung im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren zuzugestehen. Bei einem Privatverkauf des (gebraucht gekauften) Pkw könnte die Beklagte im Übrigen nicht den gleichen Erlös erzielen wie ein Autohändler, zum einen deshalb, weil es üblich ist, bei einem privaten Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge die Sachmängelgewährleistung, soweit möglich, auszuschließen, zum anderen deshalb, weil private Verkäufer in aller Regel die technische Beschaffenheit ihres Fahrzeugs nicht sachkundig beurteilen können. Die Ablösung des Finanzierungsdarlehens, dessen Laufzeit 6 Jahre betragen soll, wird unter Berücksichtigung einer zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung aus dem zu erwartenden Erlös voraussichtlich nicht ganz gedeckt werden. Da die Beklagte bei Ankauf des Pkw im Januar 2005 noch eine Anzahlung von 3.000 EUR geleistet hat und die monatlichen Raten von 149 EUR auch nicht außer Verhältnis zum Nettoeinkommen der Beklagten stehen, ist ihr zumindest bei einer Gesamtwürdigung aller vorgenannten Umstände ein Verkauf nicht zuzumuten.

2. Die Kosten für die Fahrten zur Arbeitsstelle sind neben der Berücksichtigung des Pkw-Darlehens nur noch mit einem geringeren Kilometersatz zu berücksichtigen, weil die Kilometerpauschalen auch Beträge für den Wertverlust des Pkw enthalten. Der Senat rechnet daher mit einer Kilometerpauschale von 0,11 EUR. Die Beklagte legt nach eigenen Angaben den Weg zur Arbeit an drei Tagen pro Woche zurück. Daraus errechnen sich Fahrtkosten wie folgt:

6,1 km × 2 × 0,11 EUR × 220 : 12 : 5 × 3 = 14,76 EUR.

3. Von den Versicherungskosten sind zumindest die Kosten der privaten Krankenversicherung mit 6,17 EUR berücksichtigungsfähig. Die Kosten für die Lebensversicherungen der Kinder sind nicht als notwendige Kosten anerkennungsfähig. Der Senat unterstellt, dass die Beklagte, die keine Vermögenswerte in Form von Lebensversicherungen in ihre Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen aufgenommen hat, kein Zugriffsrecht auf die Lebensversicherungen der Kinder hat.

4. Bei Mitberücksichtigung der unter 1.)-3.) genannten Kosten ergibt sich folgende Berechnung des verfügbaren Einkommens der Beklagten:

Nettoeinkommen: 936,88 EUR

Abzgl. Freibetrag: -380 EUR

Abzgl. Erwerbstätigenfreibetrag: -173 EUR

Abzgl. Kosten der privaten Krankenversicherung: -6,17 EUR

Abzgl. Wohnkosten: -200 EUR

Abzgl. Kosten für die Fahrt zur Arbeitsstätte: -14,76 EUR

Abzgl. Darlehensraten Pkw: -149 EUR

Ergebnis: 13,95 EUR

Aus diesem Einkommen muss die Beklagte keine Raten auf die bewilligte Prozesskostenhilfe zahlen.

II. Beiordnung von Rechtsanwalt N. aus Hagen zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts.

Zu Unrecht hat das AG die Beiordnung von Rechtsanwalt N. aus Hagen ohne seine Einwilligung mit der Beschränkung "zu den Bedingungen eines bei dem AG Paderborn zugelassenen Anwalts" versehen.

Zwar bestimmt § 121 Abs. 3 ZPO, dass ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur dann beigeordnet werden kann, wenn dadu...

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