Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen der §§ 1666, 1666a BGB ist stets zu beachten, dass kein Kind Anspruch auf "Idealeltern" und optimale Förderung hat und sich die staatlichen Eingriffe auf die Abwehr von Gefahren beschränken. Für die Trennung der Kinder von den Eltern oder einem Elternteil ist es daher nicht ausreichend, dass es andere Personen oder Einrichtungen gibt, die zur Erziehung und Förderung besser geeignet sind. Vielmehr gehören die Eltern und deren gesellschaftlichen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1666a

 

Verfahrensgang

AG Marl (Beschluss vom 15.10.2012; Aktenzeichen 36 F 219/11)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 15.10.2012 erlassenen Beschluss des AG - Familiengerichts - Marl wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird endgültig auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin lebte ursprünglich mit ihren älteren Kindern V, V2 und B im Landkreis Karlsruhe. Der Antragsgegner war in erster Ehe mit Frau G (im Folgenden: Kindesmutter) verheiratet. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder, V2, geboren am ... 1997, und P, geboren am ... 2000, hervorgegangen. Mit Beschluss des AG - Familiengericht - Marl vom 7.4.2003 - 26 F 124/02 - wurde dem Antragsgegner gemeinsam mit der Kindesmutter die elterliche Sorge für das Kind V2 entzogen und auf das Jugendamt der Stadt N übertragen. In dem seinerzeit eingeholten Gutachten der Sachverständigen Diplom-Psychologin Dr. U vom 25.11.2002 heißt es hinsichtlich des Antragsgegners u.a., dass dieser eine dissoziale Störung des Erlebens und Verhaltens im Sinne einer haltschwachen Persönlichkeitsstörung habe und er in Auseinandersetzungen mit bestehenden Problemlagen sich passiv-vermeidend verhalte, indem er seine Verantwortung oder Mitverantwortung leugne oder bagatellisiere. Ein Mangel an Einfühlungsvermögen und Gefühlsbeteiligung habe auch in seinen Schilderungen der seinerseits eingeräumten Misshandlungen des Stiefkindes O vorgelegen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Antragsgegners wies das OLG Hamm mit Beschl. v. 5.11.2003 - 8 UF 84/03 - zurück.

Als die Antragstellerin den Antragsgegner kennenlernte, zog sie mit diesem und ihren drei älteren Kindern aus erster Ehe, V, V2 und B, nach N. Am ... 2009 heirateten die Antragstellerin und der Antragsgegner. Aus der Ehe entstammte das minderjährige Kind K, geboren am ... 2013 (im Folgenden: das Kind). Bis November 2010 lebten die Antragstellerin und der Antragsgegner mit dem Kind und den drei Kindern der Antragstellerin aus erster Ehe gemeinsam in der Wohnung I-Straße 14 in N.

Das Jugendamt der Stadt N berichtete unter dem 3.8.2011, dass der Alltag der Familie bis zum Zeitpunkt des Auszuges durch ständige Streitigkeiten des Antragsgegners mit der Antragstellerin oder seinen Stiefkindern bestimmt gewesen sei; mehrfach sei die Polizei gerufen worden. Besonders schlimm sei die Situation für das Kind, da dieses bisher in dem Spannungsfeld der Antragstellerin und des Antragsgegners gelebt habe und daher zu befürchten sei, dass es auch weiterhin als Machtobjekt zwischen den Eltern stehe und dahingehend missbraucht werde.

Im November 2010 trennten sich die Antragstellerin und der Antragsgegner. Mit Beschl. v. 11.11.2010 - 36 F 386/10 - übertrug das AG Marl der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind und wies ihr mit weiteren Beschl. v. 11.11.2010 - 36 F 385/10 - die eheliche Wohnung zu. Der Antragsgegner zog am 15.2.2011 aus der ehelichen Wohnung aus und nahm sich eine eigene Wohnung gegenüber der vormals ehelichen Wohnung.

Unter dem 24.5.2011 stellte die Antragstellerin vor dem AG - Familiengericht - Marl den Antrag, das Umgangsrecht zwischen dem Antragsgegner und dem Kind zu regeln. Der Antragsgegner und die Antragstellerin schlossen im Verfahren vor dem AG - Familiengericht - Marl - 36 F 164/11 - in der mündlichen Verhandlung am 16.11.2011 eine Umgangsvereinbarung dahingehend, dass der Antragsgegner berechtigt ist, das Kind alle zwei Monate am jeweils ersten Wochenende eines Monats um 18:00 Uhr abzuholen und bis Sonntag 18:00 Uhr zurück zu bringen, beginnend mit dem 1.12.2011.

Seit dem 3.5.2011 wurde die Antragstellerin von einer sozialpädagogischen Familienhilfe in N unterstützt. Mitte 2011 zog die Antragstellerin mit ihren Kindern aus erster Ehe und dem Kind nach X in den Kreis Karlsruhe, wo sie zunächst bei einer Freundin lebte. Im Januar 2012 bezog sie eine 2-Zimmer Sozialwohnung. Nachdem eine Meldung der Polizei über den unsauberen Zustand der Wohnung sowie eine Mitteilung der Schule eines der älteren Kinder über Verwahrlosungstendenzen eingegangen waren, erhielt die Antragstellerin seit dem 17.2.2012 eine sozialpädagogische Familienhilfe durch den Landkreis Karlsruhe. Nach dem Bericht des Jugendamtes des Landkreises Karlsruhe von 23.2.2012 sei von einer Kindeswohlgefährdung hinsic...

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