Leitsatz (amtlich)

Für eine Verurteilung nach § 108 Abs. 1 Nr. 5 UrhG bedarf es der Feststellung einer konkret geschützten Tonaufnahme (Titel, Interpret. ggfs. Album) und des dazugehörigen Rechteinhabers.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Entscheidung vom 27.01.2014)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Essen - Strafrichter - hat die einschlägig vorbestrafte Angeklagte wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in 4 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt.

Auf die Berufung der Angeklagten hat die IX. kleine Strafkammer des Landgerichts Essen das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Angeklagten wegen unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in 4 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt; die weitergehende Berufung der Angeklagten hat die Kammer verworfen. In der Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Die Angeklagte verkaufte in dem Zeitraum vom 20.10.2012 bis zum 05.01.2013 Raubkopien von CDs und DVDs auf Flohmärkten, und zwar in folgenden Fällen:

1. Am 20.10.2012 verkaufte sie 3 Raubkopien an ihrem Verkaufsstand auf dem Flohmarkt an der Universität Essen und zwar die CD "DJ Dark Shadow, Chartbox Volume 10", die CD "DJ Dark Shadow - Die Internationale Fox - Box Volume 11" und die CD "Deutsche Disco Box - Volume 50".

2. Am 04.11.2012 verkaufte die Angeklagte auf dem Flohmarkt am Parkhaus Rhein- Ruhr Zentrum in Mühlheim an der Ruhr 3 CD Raubkopien, und zwar die CD "House Box 3", die CD "Chartsurfer - Volume 26" und die CD "DJ Dark Shadow - Disco Fox 11".

3. Am 17.11.2012 verkaufte die Angeklagte 3 CD Raubkopien auf dem Flohmarkstand an der Universität Essen, und zwar die CD "Disco Box International - Volume 52", die DVD "Beat Hits DVD - Volume 28- und die CD "DJ Dark Shadow Dance Control Volume 51".

4. Am 05.01.2013 verkaufte die Angeklagte 3 Raubkopien auf dem Flohmarktstand an der Universität Essen, und zwar die CD .,Chartsurfer 27", die CD "Disco Box International Volume 53" und die DVD "Jim Hit Mix 2012".

Dabei hatte sie die CDs und DVDs zu einem Stückpreis von 8 Euro bei einem anderen Händler erworben und verkaufte den 3er Pack an CDs bzw. DVDs zu einem Preis von 25 Euro an den Abnehmer. Der Angeklagten war bekannt, dass es sich um sog. Raubkopien handelte, dass also ein Verstoß gegen fremdes Urheberrecht vorlag."

Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten als "unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in 4 Fällen, strafbar nach den §§ 77 Abs. 2, 85 Abs. 1 Satz 1, 108 Abs. 1 Nr. 5 Urheberrechtsgesetz" gewertet.

Die Angeklagte hat gegen das Urteil Revision eingelegt und diese mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. Unabhängig von der allgemein erhobenen Rüge beanstandet sie konkret, das Landgericht habe bezogen auf den angenommenen Straftatbestand keinen subsumtionsfähigen Sachverhalt festgestellt. Allein die Annahme einer "Raubkopie" werde den gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht gerecht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,

wie beschlossen.

II.

Die Revision der Angeklagten ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg.

1.

Das Landgericht ist ausweislich der Liste der angewendeten Vorschriften - entgegen der insoweit missverständlichen Tenorierung, die sich an den Straftatbestand des § 106 UrhG anlehnt - in der Sache von 4 Fällen des unerlaubten Eingriffs in verwandte Schutzrechte nach § 108 Abs. 1 Nr. 5 UrhG ausgegangen. Dies ist im Ansatz richtig, weil der Angeklagten mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Essen vom 16. Juli 2013 vorgeworfen wird, in den dort näher bezeichneten Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten Tonträger entgegen § 85 UrhG verwertet zu haben. Jedoch tragen die bisherigen Feststellungen des Landgerichts eine Verurteilung der Angeklagten nach der vorgenannten Vorschrift nicht.

§ 108 Abs. 1 Nr. 5 UrhG dient dem Schutz des Tonträgerherstellers bzw. seiner verwertungsrechtlichen Befugnisse (vgl. Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Aufl., § 108 Rdnr. 2). Tonträgerhersteller und Inhaber des Leistungsschutzrechts aus § 85 UrhG ist, wer die wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung erbringt, das Tonmaterial erstmalig auf einem Tonträger aufzuzeichnen (vgl. BGH, NJW 2009, 770). Einzelheiten zum Schutz des Herstellers von Tonträgern regelt § 126 UrhG, namentlich zum persönlichen Schutzbereich. Den nach § 85 UrhG gewährten Schutz genießen deutsche Staatsangehörige oder Unternehmen mit Sitz im Geltungsbereich des UrhG für alle ihre Tonträger, gleichviel, ob und wo diese erschienen sind (§ 126 Abs. 1 Satz 1 UrhG). Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommen...

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