Leitsatz (amtlich)

Bei gewerbsmäßigem Betrug scheidet selbst bei zahlreichen vorgeworfenen Fällen - hier Betrügereien über einen Internethandel - ein besonders schwerer Fall dann aus, wenn der Schaden die Geringwertigkeitsgrenze nur knapp übersteigt, der Gesamtschaden relativ gering war und gewichtige zugunsten des Täters sprechende Umstände gegeben sind.

 

Verfahrensgang

AG Essen (Entscheidung vom 09.03.2011; Aktenzeichen 38 Ds 639/10)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

In der Urteilsformel entfällt vor “Betruges„ der Zusatz “gewerbsmäßigen„.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Essen zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Strafrichterin - Essen hat gegen den Angeklagten durch Urteil vom 09. März 2011 wegen "gewerbsmäßigen Betruges in 20 Fällen" eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Hiergegen hat der Angeklagte mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 14. März 2011 zunächst "Rechtsmittel" eingelegt, das nach Zustellung des schriftlichen Urteils an die Verteidigerin am 07. April 2011 von dieser mit Schriftsatz vom 02. Mai 2011 als Revision bezeichnet worden ist.

Gerügt wird mit näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft führt die Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs und zu einer Korrektur des Schuldspruchs, im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag wie folgt begründet:

"Die rechtzeitig eingelegte und form- und fristgerecht begründete Sprungrevision ist zulässig und muss zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen.

Die Überprüfung des Urteils deckt hinsichtlich des Schuldspruchs Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf. Die in sich widerspruchsfreien und nicht gegen Denkgesetze bzw. Erfahrungssätze verstoßenden Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges in 20 Fällen. Die Beweiswürdigung ist zwar knapp gehalten, genügt aber noch den Anforderungen. Insbesondere impliziert die zitierte Einlassung des Angeklagten, er habe mit dem überwiesenen Geld "Löcher stopfen" wollen, dass er - wie festgestellt - von vornherein beabsichtigt hatte, die bestellte Ware nicht zu liefern, so dass eine Täuschungshandlung noch hinreichend sicher belegt ist.

Der Schuldspruch ist lediglich dahingehend zu berichtigen, dass die Bezeichnung "gewerbsmäßigen" entfällt, da das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB lediglich ein Regelbeispiel für den besonders schweren Fall darstellt und gemäß § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist, weil es keinen eigenständigen Tatbestand bezeichnet (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 260 Rdnr. 25 m.w.N.).

Jedoch hält der Rechtsfolgenausspruch der rechtlichen Überprüfung nicht Stand.

In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass die Strafzumessung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters ist und daher nur in begrenztem Umfang einer Kontrolle durch das Revisionsgericht zugänglich ist. Das Revisionsgericht kann nur in den Fällen eingreifen, in denen Rechtsfehler vorliegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Richter von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Acht gelassen wurden oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit nach oben oder unten inhaltlich löst, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Schuld und Strafe besteht (zu vgl. BGHSt 17, 35 ff.; Meyer-Goßner, a.a.O., § 337 Rdnr. 34 m.w.N.).

Das Landgericht hat in den 20 abgeurteilten Fällen jeweils ausgehend vom Strafrahmen eines besonders schweren Falles des Betruges Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten verhängt und dabei zunächst verkannt, dass gem.

§ 263 Abs. 4 StGB i.V.m. § 243 Abs. 2 StGB ein besonders schwerer Fall des Betruges ausgeschlossen ist, wenn sich die Tat lediglich auf eine Vermögensverschiebung von geringem Ausmaß bezieht. Als gering sind nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm Schäden bis etwa 50,00 EUR

anzusehen (zu vgl. OLG Hamm, NJW 2003, 3145; OLG Zweibrücken,

NStZ 2000, 536). Jedenfalls bei den festgestellten Schäden in Höhe von

32,86 EUR (Fall 13 inkl. Versandkosten) und von 48,90 EUR (Fall 14 inkl. Versandkosten) hätte das Amtsgericht zwingend den Regelstrafrahmen des

§ 263 Abs. 1 StGB zugrunde legen müssen. Feststellungen dahingehend, dass die subjektiv erstrebte Bereicherung oberhalb der Geringwertigkeits-

grenze gelegen hätte, sind nicht getroffen worden. Es ist auch davon auszu-

gehen, dass die Einzelstrafen deutlich geringer ausgefallen wären, wenn dem Tatrichter bewusst ...

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