Leitsatz (amtlich)

Nach § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB ist das Anwartschaftsrecht des Nacherben vererblich, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist.

Die erforderliche Auslegung des Testaments kann ergeben, dass der Erblasser die Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft, wenn nicht völlig ausschließen, so aber doch auf die Abkömmlinge der Nacherben beschränken wollte. Das kann angenommen werden, wenn der Erblasser ausdrücklich nur seine Nachkommen bedacht hat und als Ersatzerben auch nur deren Abkömmlinge vorgesehen hat. Bei der Berufung dieses Personenkreises zu Nacherben steht regelmäßig der Wille im Vordergrund, den Nachlass im Familienbesitz zu erhalten und deshalb nach dem Tod eines Nacherben nicht dessen familienfremde testamentarische Erben zum Zug kommen zu lassen.

Die Anordnung in einem Testament, dass bei Kinderlosigkeit des Vorerben der Nacherbfall eintreten soll, spricht dafür, dass nach dem Willen des Erblassers unter Umständen Anwachsung gem. § 2094 BGB eintreten sollte, um den Nachlass den Geschwistern zu erhalten.

 

Normenkette

BGB §§ 2094, 2108

 

Verfahrensgang

AG Herford (Aktenzeichen 5 VI 684/21)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts Herford aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, einen gemeinschaftlichen Erbschein folgenden Inhalts zu erteilen: Der am 00.00.1888 geborene und am 00.00.1966 in A verstorbene C B ist beerbt worden von D B zu 1/3, E zu 1/3, G F zu 1/6 und H zu 1/6. Testamentsvollstreckung wird angeordnet.

Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Geschäftswert wird auf 180.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Erblasser war mit der am 00.00.1966 vorverstorbenen Frau I B, geb. J verheiratet. Aus dieser Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen. Es handelt sich um den am 00.00.1993 verstorbenen K B, die am 00.00.2009 verstorbene Q L, die am 00.00.2005 verstorbene M F, die am 00.00.2013 verstorbene O N und den am 00.00.2013 verstorbenen D B.

Der Erblasser und seine Ehefrau errichteten am 23.07.1949 ein notarielles Ehegattentestament. Ein weiteres gemeinschaftliches Testament ließen sie am 21.06.1957 beurkunden. In diesem späteren Testament ergänzten sie die gegenseitige Erbeinsetzung aus dem älteren Testament und bestimmten weiter:

"Der Überlebende von uns soll Erbe des Vorversterbenden bleiben. Er soll zugunsten unserer Nachkommenschaft und eventuell der Schwiegerkinder frei testieren dürfen, jedoch soll Erbe unserer Besitzung in P nur jemand aus unserer Nachkommenschaft werden dürfen.

Sollten wir beide versterben, ohne dass der Überlebende eine letztwillige Verfügung getroffen hat, so soll unser Sohn D Erbe sein, so lange er jedoch ohne leibliche Nachkommen ist, einfacher Vorerbe.

Sollte unser Sohn D ohne leibliche Nachkommen sterben, so sollen unsere Kinder K, Q, M und O oder deren Nachkommen vom Tode unseres Sohnes D an Nacherben sein.

Für den Fall des Eintritts der Nacherbschaft ernennen wir den Ältesten der dann noch lebenden Geschwister oder im Nichterlebensfall den Ältesten der leiblichen Nachkommen zu unserem Testamentsvollstrecker"

Mit notarieller Urkunde vom 29.08.1994 verzichteten die Kinder Q, O und M für sich und "soweit möglich auch für ihre Nachkommen" auf ihr Nacherbenanwartschaftsrecht bzw. die Ersatznacherbschaft zugunsten ihres Bruders D B. Dieser verstarb am 00.00.2013 kinderlos und wurde von seiner Ehefrau Herta B, der Beteiligten zu 2), beerbt.

Die Tochter Q L hatte eine Tochter, die am 00.00.1950 geborene E.

Die Tochter M F hatte zwei Kinder. Es handelt sich dabei um die am 00.00.1946 geborene Beschwerdeführerin und den am 00.00.1947 geborenen Herrn G F.

Der Sohn K B verstarb am 00.00.1993 kinderlos. Er war verheiratet mit Frau R B. Diese verstarb am 00.00.2013 und wurde aufgrund eines notariellen Testaments vom 05.04.2000 von Frau S beerbt, die ihre Erbschaft gemäß notarieller Urkunde vom 22.11.2013 auf den Beteiligten zu 3) übertrug.

Die Beschwerdeführerin hat die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins mit Testamentsvollstreckervermerk beantragt und dazu vorgetragen, die Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts habe, da in dem Testament des Erblassers und seiner Ehefrau Ersatznacherbschaft angeordnet worden sei, nur dann Auswirkungen, wenn der Ersatznacherbfall zum Zeitpunkt des Todes von D B noch nicht eingetreten sei. Dies betreffe lediglich O N, die zeitlich nach D B verstorben sei. Das Nacherbenanwartschaftsrecht des K B sei den übrigen Nacherben angewachsen.

Die Beteiligte zu 2) hat vorgetragen, die Testamentsvollstreckung könne wegen § 2210 BGB nicht angeordnet werden.

Der Beteiligte zu 3) ist dem Antrag der Beteiligten zu 1) entgegen getreten und hat vorgetragen, K B habe sein Anwartschaftsrecht an seine Ehefrau R B vererbt, die es an Frau S weiter vererbt habe. Von dort sei es auf ihn übertragen worden, so dass er nach dem Tod des Vorerben Erbe des Erblassers geword...

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