Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafvereitelung. Unterlassen. Zeuge. Auskunftsverweigerungsrecht. Notstand. Garantenstellung. Strafrechtspflege

 

Leitsatz (amtlich)

Die unberechtigte Verweigerung des Zeugnisses kann zur Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen (§13 StGB) führen, weil der Zeuge in dieser Eigenschaft Garant für die staatliche Strafrechtspflege ist, was aus seiner besonderen strafprozessualen Pflichtenstellung folgt.

 

Normenkette

StGB §§ 258, 13; StPO §§ 55, 70

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 6 Ns 50/16)

 

Tenor

Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Coesfeld hat gegen den Angeklagten wegen Strafvereitelung eine Freiheitsstrafe von vier Monaten verhängt. Seine hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Münster mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte in einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Coesfeld gegen X in der dortigen Hauptverhandlung vom 03.09.2015 als Zeuge vernommen. X wurde seinerzeit vorgeworfen, zusammen mit dem Angeklagten eine Cannabis-Indoorplantage betrieben zu haben. Der Angeklagte war bereits Ende 2014 wegen dieser Tat rechtskräftig verurteilt worden. Im Rahmen seiner Zeugenaussage gab der Angeklagte nach Belehrung über seine Rechte und Pflichten an, dass nicht X, sondern ein anderer Mittäter zusammen mit ihm (dem Angeklagten) die Plantage betrieben habe. Die Mitteilung des Namens dieses Mittäters verweigerte der Angeklagte aus angeblicher Angst vor Repressalien gegen sich und seine Familie. Auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berief sich der Angeklagte seinerzeit nicht. X wurde schließlich freigesprochen. Eine Strafverfolgung gegen den unbekannten Mittäter konnte bisher - was dem Angeklagten bewusst war - nicht eingeleitet werden. Weder im Nachgang zum Strafverfahren gegen X noch in dem hiesigen Verfahren hat der Angeklagte den Namen des Mittäters preisgegeben. Dass der Angeklagte oder seine Familie tatsächlich Bedrohungen seitens des unbekannten Mittäters ausgesetzt gewesen seien, verneinte das Landgericht. Rechtlich wertete das Landgericht das Verhalten des Angeklagten als Strafvereitelung durch Unterlassen. Den Angeklagten habe als Zeuge in dem Verfahren gegen X eine Garantenstellung für die staatliche Strafrechtspflege getroffen.

Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Er meint, er sei als Zeuge nicht Garant für die staatliche Strafrechtspflege gewesen. Auch hält er die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe für rechtsfehlerhaft.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung des Rechtsmittels gem. § 349 Abs. 2 StPO beantragt.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

Näherer Erörterung bedarf nur die Frage, ob den Angeklagten eine die Unterlassensstrafbarkeit begründende Garantenstellung traf.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die unberechtigte Verweigerung des Zeugnisses zur Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen (§ 13 StGB) führen kann, weil der Zeuge in dieser Eigenschaft Garant für die staatliche Strafrechtspflege ist, was aus seiner besonderen strafprozessualen Pflichtenstellung folge (OLG Köln, Beschl. v. 11.12.2009 - 2 Ws 588/09 - [...]; vgl. auch: OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.04.1998 - 3 Ss 117/98 - [...]; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.01.1993 - 1 Ss 214/92 - [...]; ebenso u.a. auch: Altenhain NK, 4. Aufl., § 258 Rdn. 46; Schönke/Schröder/Stree/Hecker StGB, 29. Aufl., § 258 Rdn. 17; Hoyer in SK-StGB, 8. Aufl., § 258 Rdn. 32; Walter in: LK-StGB, 12. Aufl., § 258 Rdn. 104; Klein StV 2006, 338, 339; Weidemann JA 2008, 532, 533).

Die Gegenauffassung verneint eine solche Garantenpflicht. Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Unterlassens sei nach § 13 StGB eine Garantenpflicht, die sich konkret auf das Rechtsgut der Strafvereitelung beziehen müsse und dieses Rechtsgut sei die staatliche Strafrechtspflege. Eine Garantenpflicht könne daher nur solche Personen treffen, denen das Recht die Aufgabe zuweise, an der Strafverfolgung konkret mitzuwirken und in irgendeiner Weise dazu beizutragen, dass Straftäter einer Sanktion zugeführt werden. Die Pflicht zur (wahrheitsgemäßen) Aussage folge aber (nur) aus einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht. Durch die Aussagepflicht solle in erster Linie ermöglicht werden, grundsätzlich in gerichtlichen Verfahren Beweis über Tatsachen erheben zu können. Ansonsten würde der Bürger aufgrund seiner (zufälligen) Stellung als Zeuge im Strafverfahren gleichermaßen in die strafrechtliche Verantwortung genommen, wie ein von Gesetzes wegen zur Strafverfolgung ausdrücklich Berufener (LG Itzehoe, B...

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