Leitsatz (amtlich)

1. An einer Sachentscheidung i.S.d. § 69 I 2 FamFG fehlt es nicht nur dann, wenn sich das erstinstanzliche Gericht ausschließlich mit Zuständigkeitsfragen beschäftigt hat und eine Entscheidung in der Sache deswegen unterblieben ist, sondern immer dann, wenn eine Entscheidung über das dem Verfahrensgegenstand zugrunde liegende Rechtsverhältnis - gleich aus welchen Gründen - nicht getroffen worden ist.

2. Das Gericht darf die Entscheidung über die dem Verfahrensgegenstand auf Regelung von Umgangskontakten zugrunde liegende Frage zu der Häufigkeit, der Art und der Zeit des Umgangs eines Elternteils mit dem gemeinsamen Kind nicht einem nach § 1684 III 3 BGB bestellten Umgangspfleger überlassen, sondern muss hierüber selbst eine Entscheidung treffen.

 

Normenkette

FamFG § 69 Abs. 1 S. 2; BGB § 1684 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Minden (Beschluss vom 19.04.2012; Aktenzeichen 33 F 132/12)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) (Mutter) vom 2.5.2012 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Minden vom 19.4.2012 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerde, an das AG zurückverwiesen.

2. Der Gegenstandswert für die Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind leibliche Eltern der betroffenen Kinder B und B1. Die alleinige elterliche Sorge steht der Mutter zu, die derzeit mit beiden Kindern in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Ein weiterer Sohn der Kindesmutter aus einer anderen Beziehung lebt im Haushalt der Großeltern mütterlicherseits. Der Vater lebt mit seiner Lebenspartnerin und deren Kindern in einem anderen Haushalt zusammen. Er hat mehrere Drogentherapien absolviert, zuletzt in der Zeit vom 9.6.2011 bis zum 31.8.2011.

Die betroffenen Kinder sind nach mehreren körperlichen Auseinandersetzungen ihrer Eltern in der Zeit von Januar bis August 2011 vom Jugendamt der Stadt N in Obhut genommen worden. Seit dem Zeitpunkt ihrer Inobhutnahme bis heute haben Umgangskontakte zwischen den Kindern und dem Vater nicht mehr stattgefunden. Im Verfahren auf Entziehung der elterlichen Sorge der Mutter vor dem AG - Familiengericht - Minden (Az.: 31 F 70/11) ist ein Gutachten der Dipl.-Psych. N2 vom 14.6.2011 eingeholt worden. In ihrem Gutachten kam die Sachverständige zu dem Ergebnis, dass Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit der Mutter bestehen, die u.a. dazu führen, dass sie den Umgang der Kinder mit dem Vater vehement ablehne. Außerdem beeinflusse sie die Kinder in der Weise, dass diese selbst dem Umgang mit dem Vater ablehnend gegenüberstehen würden. Sie sei auch nicht in der Lage, ihr eigenes Erziehungsverhalten zu reflektieren und entsprechend zu ändern. Daraus erwachse eine akute Gefahr für das psychische Wohl der betroffenen gemeinsamen Kinder. Auf entsprechende Empfehlung der Sachverständigen erklärte sich die Mutter mit einem stationären Aufenthalt in einer Mutter-Kind-Einrichtung einverstanden. Zu diesem Zweck wurden die Kinder wieder an sie herausgegeben und das Verfahren auf Entziehung der elterlichen Sorge vom Familiengericht als erledigt behandelt. Im Januar 2012 brach die Mutter die Maßnahme in der Mutter-Kind-Einrichtung ab. Seitdem lebt sie mit den Kindern in ihrem Haushalt in N.

Am 24.1.2012 hat der Vater der betroffenen Kinder im vorliegenden Verfahren beantragt, den Umgang mit den beiden betroffenen Kindern dergestalt zu regeln, dass ihm das Recht auf Umgang einmal pro Woche zugesprochen wird.

Einer Auflage des Familiengerichts zur Einreichung geeigneter Nachweise über den erfolgreichen Abschluss seiner Drogentherapie und der Einhaltung regelmäßiger Kontakte mit der Drogenberatungsstelle hat er bislang nicht Folge geleistet.

Die Mutter der betroffenen Kinder hat beantragt, den Antrag des Vaters auf Regelung der Umgangskontakte zurückzuweisen.

Sie lehnt den Umgang des Vaters mit den Kindern - auch in begleiteter Form - nach wie vor ab und behauptet, der Vater sei in der Vergangenheit nicht nur ihr gegenüber, sondern auch gegenüber den Kindern gewalttätig geworden. Außerdem vertritt sie die Ansicht, dass er geeignete Belege für die erfolgreiche Behandlung seiner Drogensucht habe vorlegen müssen.

Das Familiengericht hat die beteiligten Eltern, die betroffenen Kinder, das Jugendamt und den Verfahrensbeistand angehört. Mit der angefochtenen Entscheidung hat es eine Umgangspflegschaft "unter Entziehung des Sorgerechts der Kindesmutter" eingerichtet und Frau M als Umgangspflegerin bestellt. In der Begründung seiner Entscheidung führt das Familiengericht aus, dass die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Umgangspflegschaft nach § 1684 III 3 BGB gegeben seien, da die Mutter den für die Entwicklung der betroffenen Kinder notwendigen Umgang mit dem Vater vehement ablehne und die Kinder dahingehend beeinflusse, den Umgang mit ihm ebenfalls abzulehnen. Anhaltspunkte für körperliche Übergriffe des Vaters gegen die Kinder in der Vergangenheit seien nicht vorhanden. Möglicherweise aus einem Drogenk...

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