Normenkette

HGB § 84; ArbGG § 5

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 1 O 481/01)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 28.6.2002 gegen den Beschluss des LG Bochum vom 16.5.2002 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses des LG vom 3.7.2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.285 Euro festgelegt.

 

Gründe

I. Die Klägerin befasst sich mit der Vermittlung von Versicherungs- und Bausparverträgen. Der Beklagte war für sie in der Zeit von 1993–1997 auf der Grundlage einer als Handelsvertreter-Vertrag bezeichneten schriftlichen Vereinbarung vom 8.3.1993 – nach dem Wortlaut des Vertrages in der Eigenschaft eines „selbstständigen und freien Handelsvertreters im Nebenberuf i.S.d. §§ 84, 92, 92b HGB” (§ 2 des Vertrages) – tätig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 8.3.1993 verwiesen.

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten aus einem unter dem 28.6.1996 abgegebenen Schuldanerkenntnis auf Zahlung in Anspruch. Der Beklagte bestreitet seine Zahlungsverpflichtung und meint, ungeachtet abweichender Bezeichnung sei er Arbeitnehmer der Klägerin und nicht freier Handelsvertreter gewesen, weshalb nicht die Zuständigkeit der Zivilgerichte, sondern die des ArbG gegeben sei.

Das LG hat den Rechtsweg vor die Zivilgerichte durch Beschl. v. 16.5.2002, dem Beklagten zugestellt am 14.6.2002, für zulässig erklärt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner am 28.6.2002 eingelegten (sofortigen) Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat.

II. Die gem. § 17a Abs. 4 S. 3 GVG zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten ist in der Sache unbegründet.

Das LG hat auf der Grundlage des hierfür maßgeblichen Vorbringens der Klägerin (BGH v. 11.7.1996 – V ZB 6/96, BGHZ 133, 240 ff. [243] = MDR 1996, 1287 = VersR 1996, 1563 m.w.N.; v. 4.3.1998 – VIII ZB 25/97, MDR 1998, 920 = VersR 1998, 630) zu Recht die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nach § 13 GVG für die Entscheidung des Rechtsstreits bejaht; eine (ausschließliche) Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gegeben. Der Beklagte war Handelsvertreter und nicht Arbeitnehmer der Klägerin; auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG sind im Streitfall nicht gegeben.

1. Handelsvertreter ist, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 Abs. 1 S. 1 HGB). Für die Entscheidung der Frage, ob ein Vertragspartner als selbstständiger Handelsvertreter tätig geworden ist oder nicht, kommt es grundsätzlich nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung, sondern vor allem auf das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und die tatsächliche Handhabung an (BGH BB 1982, 1876 [1877]; v. 11.3.1982 – I ZR 27/80, MDR 1982, 821 = NJW 1982, 1757 [1758]; BAG v. 15.12.199 – 5 AZR 169/99, VersR 2000, 1501; v. 15.12.1999 – 5 AZR 770/98, VersR 2000, 1365; v. 15.12.1999 – 5 AZR 566/98, VersR 2000, 1143; OLG Hamm, Beschl. v. 4.8.2000 – 35 W 13/99; OLG Celle v. 14.8.1996 – 14 W 30/96, OLGReport Celle 1997, 43 [44]). Die Frage, wie die getroffenen vertraglichen Abreden zu qualifizieren sind, entzieht sich der Disposition der Parteien. Die Zuordnung erfolgt nach objektiv-rechtlichen Kriterien. Maßgeblich ist der wirkliche Geschäftsinhalt, der sich aus den getroffenen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Durchführung durch die Parteien ergibt (BAG v. 15.12.1999 – 5 AZR 169/99, VersR 2000, 1501; v. 15.12.1999 – 5 AZR 770/98, VersR 2000, 1365; v. 15.12.1999 – 5 AZR 566/98, VersR 2000, 1143; OLG Hamm, Beschl. v. 4.8.2000 – 35 W 13/99).

2. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag vom 8.3.1993 ist ungeachtet hiergegen erhobener Einwände des Beklagten entspr. seiner Bezeichnung als „Handelsvertretervertrag” anzusehen. Nach den getroffenen Vereinbarungen hat der Beklagte die Aufgabe eines Handelsvertreters der Klägerin i.S.d. § 84 Abs. 1 S. 1 HGB übernommen.

a) Aufgabe des Beklagten war nach § 2 des Vertrages die Vermittlung von Versicherungs- und Bausparverträgen. Seine Tätigkeit könnte der Beklagte hierbei „selbstständig”, da im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeiten zumindest weitgehend selbst bestimmen (§ 84 Abs. 1 S. 2 HGB).

aa) Der Beklagte war in seiner Arbeitszeitgestaltung im Wesentlichen frei und keinem Weisungsrecht der Klägerin unterworfen. Er konnte unabhängig entscheiden, wann er welchen Kunden mit welchen Angeboten aufsuchte. Insbesondere waren ihm keine „Tourenpläne” vorgegeben.

Die vom Beklagten vorgelegten Terminpläne und Berichtsvordrucke im Zusammenhang mit der Nachbearbeitung so genannter „Störfälle” rechtfertigen insoweit keine abweichende Beurteilung. Dass eine bindende, im Nichtbefolgungsfall mit besonderen Sanktionen belegte Verpflichtung des Beklagten bestand, im Rahmen der ihm übertragenen „Störfallbearbeitung” die ihm überlassenen Adresslisten der K...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge