Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit der Berufung wegen verspäteter Einlegung nach Anwaltswechsel

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat eine Partei mehrere Vertreter für verschiedene Instanzen, so haftet sie dementsprechend für das Verschulden eines jeden von ihnen, solange die Vertretungszeit läuft.

 

Normenkette

ZPO § 522 Abs. 1 S. 2, § 234 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG (Urteil vom 09.09.2005)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 11.06.2008; Aktenzeichen XII ZB 184/07)

 

Tenor

In der Familiensache ... wird die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG ... vom 9.9.2005 auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Die Berufung ist unzulässig, § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO, denn sie ist nicht innerhalb der Berufungsfrist des § 517 ZPO bzw. der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweis des Senats vom 5.5.2006 verwiesen (Bl. 498 der Gerichtsakte).

Die Darlegungen des Beklagten in den Schriftsätzen vom 24.5.2006 und 30.5.2006 geben keinen Anlass, diesen Standpunkt aufzugeben.

1. Ein (Mit-)Verschulden des Gerichts an der Fristversäumung kann nicht festgestellt werden.

a) Der Prozesskostenhilfe bewilligende Beschluss des Senats vom 20.1.2006 (Bl. 205 der Gerichtsakte) wurde ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle auf Bl. 206 der Gerichtsakte am 27.1.2006 ausgefertigt und versandt, und zwar an die seinerzeit noch bevollmächtigten Rechtsanwälte ... . Dort ist der Beschluss am 30.1.2006 eingegangen. Zum Zeitpunkt der Versendung war von einem Mandatswechsel entgegen der Darstellung im Schriftsatz vom 24.5.2006 noch nichts bekannt. Denn das Schreiben der neuen Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 26.1.2006 ist nicht am 27.1.2006 beim OLG eingegangen, sondern am 30.1.2006, wie sich aus dem Eingangsstempel des OLG ergibt (Bl. 207 der Gerichtsakte). Zu diesem Zeitpunkt hatten Dr. ... und Kollegen dem OLG noch nicht die Mandatsniederlegung mitgeteilt, auch nicht telefonisch. Die schriftliche Mitteilung über die Mandatsniederlegung erfolgte mit Schriftsatz vom 31.1.2006, bei Gericht eingegangen am 1.2.2006 (Bl. 210 der Gerichtsakte). Ein vorheriger telefonischer Hinweis seitens der Rechtsanwälte ... ist zumindest vor dem 27.1.2006 nicht erfolgt. Vielmehr ist ausweislich des handschriftlichen Vermerks der Geschäftsstelle am 30.1.2006 - nach Eingang der Meldung der neuen Prozessbevollmächtigten - die Mitteilung über die Mandatsniederlegung telefonisch angefordert worden, Bl. 207 der Gerichtsakte.

b) Hat die Partei mehrere Vertreter für verschiedene Instanzen, so haftet sie dementsprechend für das Verschulden (§ 85 Abs. 2 ZPO) eines jeden von ihnen, solange die Vertretungszeit läuft (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage 2005, § 85 Rz. 21 m.w.N.). In diesem Fall können sich die Vertreterpflichten der Anwälte unter Umständen überschneiden; keinesfalls aber kann es im Anwaltsprozess zu einer "haftungsmäßigen Lücke" kommen (zu den Pflichten beider Anwälte siehe Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rz. 23 Stichwort "Mehrere Anwälte" m.w.N.).

c) Daran vermag auch die mit Schriftsatz vom 1.3.2006 (Bl. 475/476 der Gerichtsakte) vorgetragene telefonische Auskunft der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des OLG nichts zu ändern. Dieser wurde lediglich das Akteneinsichtsgesuch der neuen Prozessbevollmächtigten in Erinnerung gebracht, welches am 9.2.2006 bei Gericht eingegangen war (Bl. 211 der Gerichtsakte); ferner wurde sie darauf hingewiesen, man beabsichtige, zum Prozesskostenhilfeantrag noch ergänzend vorzutragen. Ob und ggf. wann ein Beschluss betreffend die Prozesskostenhilfe bereits ergangen bzw. zugestellt war, war nicht Gegenstand des Gespräches. Die Beklagtenseite durfte deshalb aufgrund dieses Gespräches nicht darauf vertrauen, es sei noch kein Beschluss ergangen. Die Auskunft von Frau ..., dass mit Aktenrücksendung Sachvortrag erfolgen könne, betrifft eine Selbstverständlichkeit. Ob der Senat diesen Sachvortrag - oder auch Anträge - als rechtzeitig bewertet, ist eine davon zu trennende Frage.

2. Unzutreffend ist die Auffassung des Beklagten, das Gericht hätte nach Erhalt der Mitteilung über die Mandatsniederlegung den Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss nochmals an die neue Prozessbevollmächtigte oder den Beklagten persönlich senden müssen. Dies ergibt sich bereits aus § 87 Abs. 1 ZPO. Im Anwaltsprozess ist die bisherige Vollmacht - auch ggü. dem Gericht - im Außenverhältnis so lange wirksam, bis sich ein neuer Anwalt bestellt (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 87 Rz. 2, 3 m.w.N.). Solange dies nicht erfolgt ist, müssen alle Zustellungen etc. an den bisherigen Anwalt erfolgen. Eine Wiederholung ggü. dem neuen Anwalt ist nicht geboten (Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rz. 4). Es ist deshalb unerheblich, zu welchem Zeitpunkt das Mandatskündigungsschreiben des Beklagten bei seinen früheren Bevollmächtigten eingegangen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2036340

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