Leitsatz (amtlich)

Erleidet ein Geschädigter durch zwei unterschiedliche Verkehrsunfälle Verletzungen, können die Verursacher beider Unfälle gem. § 840 I BGB als Nebentäter - mit der Folge ihrer gesamtschuldnerischen Haftung - in Anspruch genommen werden, wenn die durch den ersten Unfall erlittenen Verletzungen beim zweiten Unfall noch nicht ausgeheilt waren und durch diesen weiter verschlechtert wurden. Ein dies darlegender Klagevortrag kann eine Gerichtsstandbestimmung gem. § 36 I Nr. 3 ZPO rechtfertigen, wenn die Unfallverursacher in einem Verfahren als Streitgenossen verklagt werden sollten.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, §§ 59-60; BGB § 840

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Aktenzeichen 9 O 432/15)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das LG Hagen.

 

Gründe

I. Die Kläger haben vor dem LG Hagen gegen die Beklagten zu 1) bis 4) Klage erhoben, mit der sie Schadensersatzansprüche für materielle wie immaterielle Schäden, für Letztere gegenüber den Beklagten zu 1) bis 4) als Gesamtschuldner, aus zwei Verkehrsunfällen geltend machen.

Die Kläger begründen ihre Klage wie folgt:

Der in I wohnhafte Beklagte zu 1) habe als Fahrer eines Fahrzeugs, das bei der Beklagten zu 2) mit Sitz in X haftpflichtversichert war, am 11.01.2010 in X1 schuldhaft einen Unfall verursacht. Der in J wohnhafte Beklagte zu 3) habe am 12.02.2010 in I1 als Fahrer eines Fahrzeugs, das bei der Beklagten zu 4) mit Sitz in L haftpflichtversichert war, einen Unfall verursacht. Bei beiden Unfällen seien der Kläger zu 1) als Fahrer und die Klägerin zu 2) als Beifahrerin des weiteren am Unfall beteiligten Fahrzeugs verletzt worden.

Bei dem ersten Verkehrsunfall hätten die Kläger ein HWS-Schleudertrauma, eine BWS- und eine LWS-Prellung sowie eine commotio cerebri erlitten. Der zweite Verkehrsunfall habe sich noch während der laufenden Behandlung der Folgen des ersten Verkehrsunfalls bei beiden Klägern ereignet. Durch den zweiten Verkehrsunfall hätten die Kläger wiederum unter anderem ein HWS-Schleudertrauma und eine BWS Prellung erlitten. Durch den zweiten Verkehrsunfall hätten sich die schon rückläufigen Beschwerden aus den Verletzungen aus dem ersten Verkehrsunfall wieder verstärkt.

Die Beklagten zu 1) und 2) haben die Klage im Hinblick auf die subjektive Klagehäufung als unzulässig gerügt. Sie haben ferner die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt.

Das LG Hagen hat die Parteien darauf hingewiesen, dass eine örtliche Zuständigkeit des Gerichts hinsichtlich der Beklagten zu 2) nicht bestehen dürfe. Eine solche folge weder aus § 20 StVG noch aus § 32 ZPO. Die Zuständigkeit sei für jeden Streitgenossen einzelnen zu bestimmen.

Die Kläger haben daraufhin einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gestellt.

Das LG Hagen hat das Verfahren dem Oberlandesgericht Hamm vorgelegt. Die Beklagten haben Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Die Beklagten zu 1) und 2) halten die Voraussetzungen für eine Bestimmung des Gerichtsstands für nicht gegeben, da die Beklagten zu 1) und 2) zusammen mit den Beklagten zu 3) und 4) keine Streitgenossenschaft bildeten.

II.1. Das Oberlandesgericht Hamm ist als das Gericht, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste LG Hagen gehört, gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zu der Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, da das im Rechtszug zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht über den nach dem allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten gem. den §§ 12, 13, 17 ZPO örtlich zuständigen LGe Hagen, Köln und Wiesbaden der Bundesgerichtshof wäre.

2. Das gemäß § 37 Abs. 1 ZPO erforderliche Gesuch haben die Kläger gestellt.

3.a) Der Gerichtsstandsbestimmung steht nicht entgegen, dass die Klage bereits erhoben und die Zuständigkeit durch die Beklagte zu 2) gerügt worden ist. Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts ist über den Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 hinaus nicht nur dann möglich, wenn mehrere Personen verklagt werden sollen, sondern auch nach Rechtshängigkeit, sofern der Prozessstand dem nicht entgegen steht (vgl. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 36 ZPO Rn. 16). Bislang ist in dem Verfahren nur schriftsätzlich vorgetragen worden, der Zweck der Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit kann ohne weiteres noch erreicht werden.

b) Die Beklagten haben keinen gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstand. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand ist nicht sicher feststellbar. Er folgt insbesondere angesichts der unterschiedlichen Orte, an denen die Unfälle sich ereignet haben, nicht aus den §§ 20 StVG oder 32 ZPO.

c) Die Beklagten werden auch als Streitgenossen in Anspruch genommen.

§ 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gilt für alle Arten der Streitgenossenschaft, nicht nur die notwendige Streitgenossenschaft gemäß § 62 ZPO, sondern auch die einfache gem. den §§ 59, 60 ZPO (Vollkommer in: Zöller, a.a.O., § 36 ZPO Rn. 14 m.w.N.). Auszugehen ist dabei von dem Vortrag der Kläger, aus dem sich die Voraussetzungen einer Gesamtschuldnerschaft schlüssig ergeben müssen (Vollkommer in Zöller, a.a.O., § 36 ZPO Rn. 18 m.w.N.).

Gem. § 59 ZPO könne...

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