Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Nach den neueren Haftentscheidungen des BVerfG ist den Gerichten eine - wenn auch kurze - Übergangszeit zuzubilligen, innerhalb derer sie die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten strengen Grundsätze u.a. durch - über die bisherigen Anstrengungen noch hinausgehende - organisatorische Maßnahmen in die Praxis umsetzen können.

  • 2.

    Zur Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

  • 3.

    Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird zukünftig dazu führen, zwischen dem Recht des Angeklagten, in der Hauptverhandlung von dem Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu werden, sowie seinem Recht, dass der Vollzug der Untersuchungshaft nicht länger als unbedingt nötig andauert, sehr sorgsam abzuwägen.

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Entscheidung vom 12.04.2006; Aktenzeichen 8 KLs 46 Js 97/05)

 

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Gegen den Angeklagten ist zur Zeit beim Landgericht Bochum ein Verfahren u.a. wegen schweren Bandendiebstahls anhängig. Das Verfahren richtet sich gegen sechs Angeklagte. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Bochum vom 16. September 2005 legt dem Angeklagten sieben Diebstahlstaten in einem besonders schweren Fall zur Last, die er in der Zeit von Januar 2005 bis zum 04. Mai 2005 als Mitglied einer Bande begangen haben soll. Ferner werden ihm eine gefährliche Körperverletzung sowie eine Verabredung zu einem Verbrechen (Bandendiebstahl) vorgeworfen. Nachdem zunächst Juweliergeschäfte die bevorzugten Tatobjekte gewesen sein sollen, soll sich die Bande später auf Geldausgabeautomaten und Geldtresore verlegt haben.

Wegen dieser Vorwürfe hat das Amtsgericht Bochum am 04. Mai 2005 einen Haftbefehl gegen den Angeklagten erlassen. Der Angeklagte ist an diesem Tag festgenommen worden und befindet sich seitdem wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Durch Beschluss der 8. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 17. Oktober 2005 sind die vorgenannten Haftbefehle neu gefasst und den - damals noch - Angeschuldigten am 20. Oktober 2005 verkündet worden. Die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bochum hat am 1. Februar 2006 begonnen.

In der Sitzung vom 5. April 2006 hat der Angeklagte beantragt, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise den Haftbefehl außer Vollzug zu setzen. Zur Begründung führt er aus, es bestehe zum einen keine Fluchtgefahr und zum anderen sei der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht mehr verhältnismäßig, da das Verfahren nicht mit der gebotenen Beschleunigung gefördert worden sei. Diesen Antrag hat die Strafkammer mit Beschluss vom 12. April 2006 zurückgewiesen. Sie hat weiterhin den Haftgrund der Fluchtgefahr bejaht und außerdem einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot verneint. Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt. Die Strafkammer hat dieser nicht abgeholfen und die Akten durch Vermittlung der Generalstaatsanwaltschaft dem Senat vorgelegt, bei dem sie am 26. April 2006 eingegangen sind.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Haftbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige (Haft)Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Insbesondere ist der weitere Vollzug der Untersuchungshaft auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG nicht unverhältnismäßig.

1.

Es besteht nach wie vor "dringender Tatverdacht" im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO gegen den Angeklagten. Insoweit steht dem Senat im Übrigen auch nur ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab zu (vgl. BGH StraFo 2004, 135 = StV 2004, 143). Maßgeblich ist bei einer Haftbeschwerde - wie hier - während laufender Hauptverhandlung, ob der Inhalt der angefochtenen Haftentscheidung grob fehlerhaft ist und diese den dringenden Tatverdacht aus Gründen bejaht, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht vertretbar sind (OLG Jena StV 2005, 559), wobei das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme berücksichtigt werden kann. Die Nachprüfung durch das Beschwerdegericht ist darauf beschränkt, ob das vom Haftgericht gewonnene Ergebnis auf Tatsachen gestützt ist, die im Zeitpunkt der Entscheidung zur Verfügung standen, sowie darauf, ob das mitgeteilte Ergebnis auf einer vertretbaren Bewertung dieser für und gegen den dringenden Tatverdacht sprechenden Umstände beruht (OLG Schleswig SchlHA 2003, 188; ebenso Senat im Beschluss vom 28. Juni 2004, 2 Ws 175/04, www.burhoff.de). Auf der Grundlage dieses Prüfungsmaßstabs ist die landgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden.

2.

Es liegt auch weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO vor. Der Senat nimmt insoweit zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss des Landgerichts Bochum sowie auf seinen anlässlich der Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO ergangenen Beschluss vom 21. November 2005 - 2 OBL 72/05 OLG Hamm. Mildere Mittel als der Vollzug der Untersuchungshaft er...

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