Leitsatz (amtlich)

Die Übermittlungsstelle darf die Übermittlung eines Antrags auf grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe ablehnen, wenn der Antragsteller trotz eines entsprechenden Hinweises formelle Mängel des Antrags nicht beseitigt und abzusehen ist, dass die zuständige Empfangsstelle den Antrag aufgrund der Mängel zurückweisen wird.

Werden im Standardformular bestimmte Angaben und entsprechende Belege gefordert, darf die Übermittlungsstelle grundsätzlich davon ausgehen, dass diese für eine positive Entscheidung des Antrags auf Prozesskostenhilfe erforderlich sind.

 

Normenkette

ZPO § 1077 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Hagen (Beschluss vom 16.12.2009; Aktenzeichen 132 AR 6/09)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 11.1.2010 gegen den Beschluss des AG - FamG - Hagen vom 16.12.2009 wird zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

 

Gründe

I. Der am 3.8.2001 geborene Antragsteller, gesetzlich vertreten durch seine Mutter, hat mit Schriftsatz vom 24.9.2009 die Übermittlung seines Antrags auf Bewilligung von grenzüberschreitender Prozesskostenhilfe innerhalb der EU nach der Richtlinie 2003/8/EG beantragt. Er begehrt Prozesskostenhilfe für die Vollstreckung des Beschlusses des AG Lüdenscheid vom 10.3.2003 (5 FH 38/02), durch welchen gegen den in Italien lebenden Antragsgegner, seinen nichtehelichen Vater, Kindesunterhalt im Wege des vereinfachten Verfahrens festgesetzt worden ist.

Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss die Übermittlung abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der vom Antragsteller unter Verwendung der Ausfüllhilfe im Internet erstellte Antrag entspreche nicht dem Standardformular, da nicht lediglich das Formular, sondern die komplette Webseite ausgedruckt worden sei mit der Folge, dass Teile des Antragsformulars fehlen würden. Zudem seien die Belege zu den wirtschaftlichen Verhältnissen unvollständig. Darüber hinaus entspreche der Antrag auch nicht den Anforderungen der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen.

Mit der Beschwerde rügt der Antragsteller, dass ihm vor Ablehnung des Antrags keine Gelegenheit gegeben worden sei, etwaige Mängel abzustellen. Insbesondere sei ihm trotz Anforderung das Standardformular nicht übersandt worden.

II.1. Die gem. §§ 1077 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Da das AG als FamG entschieden hat, ist das OLG zur Entscheidung über die Beschwerde berufen, ohne dass es einer Prüfung bedürfte (§ 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO), ob die Übermittlung eines Antrags nach § 1077 ZPO im vorliegenden Fall, in dem es um die Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel geht, eine Familiensache i.S.d. § 111 FamFG darstellt. Dies erscheint allerdings zweifelhaft, da die Entgegennahme und Übermittlung nicht dem Verfahrensgericht, sondern grundsätzlich dem AG, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, zugewiesen ist (vgl. Keidel/Weber, FamFG, 16. Aufl., § 111 Rz. 15 f.).

2. Das AG hat die Übermittlung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Nach § 1077 Abs. 3 ZPO kann die Übermittlungsstelle die Übermittlung durch Beschluss vollständig oder teilweise ablehnen, wenn der Antrag offensichtlich unbegründet ist oder offensichtlich nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/8/EG fällt.

Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist vorliegend eröffnet. Die Beantragung von grenzüberschreitender Prozesskostenhilfe erübrigt sich vorliegend auch nicht mit Blick auf Art. 50 EUGVVO (Brüssel-I Verordnung). Es ist bereits zweifelhaft, ob die eigentliche Zwangsvollstreckung in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fällt (dafür Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 50 EuGVVO, Rz. 2; Motzer, FamRBint 2008, 16/20; a.A. Geimer in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., S. 685 f.; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., Art. 50 EuGVO Rz. 1). Jedenfalls bleibt neben einem Vorgehen nach Art. 50 EuGVVO die Beantragung von Prozesskostenhilfe nach dem jeweiligen Landesrecht möglich (Schinkels in: Prütting/Gehrlein, ZPO, Art. 50 EuGVO Rz. 2; Hk-ZPO/Dörner, 3. Aufl., Art. 50 EuGVVO Rz. 2; Geimer, a.a.O., S. 686).

Das AG durfte die Übermittlung jedoch ablehnen, weil der Antrag in der gestellten Form offensichtlich unbegründet ist.

Wann ein Antrag i.S.d. § 1077 Abs. 3 ZPO als "offensichtlich unbegründet" angesehen werden kann, ist bislang nicht näher geklärt. § 1077 Abs. 3 ZPO beruht auf der Ermächtigung in Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27.1.2003 (ABl L 26 S. 41), wonach die zuständigen Übermittlungsbehörden entscheiden können, die Übermittlung eines Antrags abzulehnen, wenn dieser offensichtlich a) unbegründet ist oder b) nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt. Soweit ersichtlich, besteht Einigkeit darin, dass § 1077 Abs. 3 ZPO nur eine kursorische Prüfung verlangt (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/3281, 11 und 14; Rauscher in MünchKomm/ZPO...

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