Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedeutung des Kontinuitätsgrundsatzes. Elterliche Sorge: Bedeutung des Kontinuitätsgrundsatzes

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird bei gemeinsamer Sorge von den Eltern um das Aufenthaltsbestimmungsrecht gestritten und stellt ein vom Gericht bestellter Sachverständiger fest, dass beide Eltern die gleiche Eignung hinsichtlich ihrer Erziehungsfähigkeit und ihrer Bindung zum Kind aufweisen, so kommt dem Kontinuitätsgrundsatz eine entscheidende Bedeutung zu.

 

Normenkette

BGB § 1671

 

Verfahrensgang

AG Bielefeld (Beschluss vom 05.09.2008; Aktenzeichen 34 F 881/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bielefeld vom 5.9.2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3000 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien, die am 5.5.2005 geheiratet haben und seit dem 14.7.2007 getrennt leben, streiten um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren am 31.1.2005 geborenen Sohn O., der beim Vater lebt.

Der am 14.8.1967 geborene Antragsgegner ist Verwaltungsfachangestellter im C in C2 mit Arbeitszeiten von 7.00 Uhr bis 15.30/16.30 Uhr. Er hat die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten. Die am 9.10.1967 geborene Antragstellerin ist gelernte Bürokauffrau. Sie hat bis zur Geburt des Sohnes bei der E Bank als Marketingassistentin gearbeitet. Seitdem ist sie Hausfrau und Mutter.

Die Parteien haben gemeinsam in C2 gelebt. Am 14.7.2007 - während der Fahrt in den gemeinsamen Urlaub mit den Eltern des Antragsgegners - trennte sich die Antragstellerin von dem Antragsgegner und kehrte in ihre Heimatstadt C zurück. Sie hat dort eine Wohnung direkt neben der Wohnung ihrer Mutter angemietet. Nachdem sie den Antragsgegner überredet hatte, mit O zu ihr nach C zu kommen, wobei sie ihn jedenfalls in dem Glauben ließ, sie werde mit ihm gemeinsam nach C2 zurückzukehren, verweigerte sie ihm die Mitnahme des Kindes zurück nach C2.

Daraufhin haben beide Parteien wechselseitig Anträge zum Aufenthaltsbestimmungsrecht gestellt. Die Antragstellerin hat ihren Antrag darauf gestützt, dass sie diejenige gewesen sei, die sich seit der Geburt umfassend um O gekümmert habe, so dass es dem Wohl des Kindes entspreche, wenn es auch weiterhin von ihr versorgt werde. Demgegenüber hat der Antragsgegner geltend gemacht, dass die Antragstellerin ungeeignet sei, O zu versorgen, weil sie krankhaft depressiv sei. Es stimme auch nicht, dass sie sich nach der Geburt umfassend um O gekümmert habe. Sie habe das Kind zwar fünf Monate gestillt. Danach sei ihr aber alles zu viel gewesen. Nach der Arbeit habe deshalb er sich bis zum nächsten Morgen um das Kind gekümmert. Was er nicht erledigt habe, hätten seine Eltern erledigt. Diese seien jeden Montag, Mittwoch und Freitag um 13.00 Uhr gekommen, um das Kind und den Haushalt zu übernehmen. Sie hätten O auch mindestens jedes 2. Wochenende, auch oft Freitags über Nacht zu sich nach Hause genommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem AG am 17.8.2007 haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass sich O vorläufig im Wechsel jeweils eine Woche bei dem einen und dann bei dem anderen Elternteil aufhalten soll.

Das AG hat nach Einholung eines psychologischen Gutachtens des Sachverständigen L und nach persönlicher Anhörung der Parteien, des Jugendamtes und des Sachverständigen dem Antragsgegner das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, weil bei gleicher Eignung der Kontinuitätsgrundsatz für den Vater spreche. Nach den Ausführungen des Sachverständigen seien beide Eltern nur gerade noch erziehungsgeeignet. Zwar sei die Chance einer Verbesserung beim Antragsgegner geringer einzuschätzen, weil er von seinem familiären Umfeld "unglückselig" unterstützt werde. Bei der Antragstellerin seien aber ein geringes Selbstbewusstsein und eine abhängige Persönlichkeitsstruktur festzustellen. Dies stelle eine mögliche Gefahr für das Kindeswohl dar. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Verschlechterung sei daher bei der Antragstellerin erheblich größer.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie abändernd die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich erstrebt. Die Übertragung auf den Antragsgegner entspreche nicht dem Wohl des Kindes, weil er dem unglückseligen, dominanten Einfluss seiner Eltern unterliege, die sie über die Maßen entwerteten, so dass aufgrund ihrer Dominanz ihre Ausgrenzung im Verhältnis zu ihrem Sohn nicht ausgeschlossen werden könne. Die abwertende Haltung der Großeltern und des Antragsgegners hätte bereits auf O abgefärbt. Demgegenüber könne der Umgebungskontinuität, auf die das AG abgestellt habe, mit Rücksicht auf das seit einem Jahr praktizierte Wechselmodell kein wesentliches Gewicht zukommen. Keinesfalls stelle ihre Persönlichkeitsstruktur eine Gefahr für das Kindeswohl dar.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss. Er verweist darauf, dass sich O in seiner Obhut in den letzten 5 Monaten weiterhin außerordentlich gut entwickelt habe, so dass kein Grund bestehe, ihn...

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